Ein beliebtes Volksleiden, für das Patienten gerne die Notaufnahme verstopfen, sind unkomplizierte Harnwegsinfekte – dabei müssten sie doch nur ein Glas Cranberry-Saft trinken. Ist das wirklich so einfach oder müssen es doch Antibiotika sein?
Für Eilige gibt’s am Ende des Artikels eine Zusammenfassung.
Gerade am Wochenende oder in der Nacht kommen Patienten in die Notaufnahme, um sich noch schnell eine Packung Fosfomycin gegen eine Blasenentzündung abzuholen.
„Der Hausarzt hat zu und die Symptome kennen sie bereits.“
„Haben Sie es denn bereits mit viel Trinken und Cranberrysaft versucht?“
„Nein, das hilft doch nichts.“
Unkomplizierte Harnwegsinfekte gehören zu den häufigsten Infektionen. Jede zweite Frau und jeder fünfte Mann erlebt mindestens eine Infektion im Leben. Mit immer steigenden Antibiotikaresistenzen rücken nicht antibiotische Interventionen zur Prävention und Therapie in den Fokus. Dass Cranberries zur Prävention von Harnwegsinfekten eingesetzt werden können, ist nicht neu. Eine klare Empfehlung seitens der European Guidelines of Urology besteht aufgrund der unklaren Studienlage bisher aber nicht.
Die in der Beere erhaltenden sekundären Pflanzenstoffe Proanthocyanide sollen zu einer verringerten Haftfähigkeit von Bakterien an der Blasenwand führen.
Die kürzlich von Moro C. et al erschienene Netzwerk-Metaanalyse untersucht nun die Effektivität von Cranberries zur Prävention und Therapie bei unkomplizierten Harnwegsinfekten.
Die Autoren gaben an, dass keine der bisherigen Analysen die alleinige Wirkung von Cranberry-Präparaten untersuchten, da die Einnahme der Präparate in den Studien mit erhöhter Flüssigkeitszufuhr einherging und die Patienten von diesem bereits ohnehin profitieren würden. Um diesen Störfaktor zu berücksichtigen wurden Cranberrysaft, Cranberrytabletten, Erhöhung der Trinkmenge sowie keine Therapiemaßnahme jeweils untereinander verglichen.
Insgesamt wurden 20 Studien eingeschlossen, darunter 18 RCTs und 2 CCTs. Die Studienpopulation belief sich auf 2.745 (88,8 %) Patientinnen und 346 (11,1 %) Patienten, die in den vorherigen 12 Monaten an mindestens einer Harnwegsinfektion litten. Das Follow-up in den Studien reichte von 2 bis 12 Monaten. Die Einnahme der Präparate wurde als Zeitraum von 2 Wochen bis 12 Monaten angegeben. Katheterisierte Patienten wurden ausgeschlossen.
Als primäres Outcome wurde die Anzahl von Harnwegsinfektionen sowie typische Symptome von und der Einsatz von Antibiotika definiert. Hierbei wurde der unkomplizierte Harnwegsinfekt nach der European Association of Urology definiert: akut, sporadisch oder wiederkehrender untere oder obere Infekt mit keiner anatomisch oder funktionellen Anomalie und keine vorliegende Schwangerschaft.
Es zeigte sich, dass Cranberrysaft die Häufigkeit von Harnwegsinfekten zu 54 % senken konnte verglichen mit keiner Therapie. Tranken die Probanden hingegen eine Placeboflüssigkeit verringerte sich dich Häufigkeit nur um 27 %. Eine zusätzliche Trinkmenge (Placebo) konnte verglichen mit keiner Intervention die Rate zu 58 % senken. Ein Effekt der Cranberry Tabletten im Vergleich zu den drei Studienarmen zeigte sich nicht signifikant.
Hinsichtlich des Antibiotikaeinsatzes zeigte sich der Cranberrysaft zu 49 % gegenüber der Placeboflüssigkeit und 59 % gegenüber keiner Intervention überlegen. Die Symptome besserten sich durch Cranberry-Präparate signifikant (RR von 5,2 KI 95 % 1,26–21,55).
Die Autoren gaben an, dass der Bias in den Studien als gering geschätzt wurde. Jedoch erfolgte bei den CCTs keine Randomisierung, bei neun Studien keine Verblindung und drei Studien wurden vom Safthersteller Oceanspray kofinanziert. Aufgrund der geringen Anzahl der Männer in den Studien wurden keine geschlechtergetrennten Analysen durchgeführt. Es erfolgte eine Berechnung der statistischen Sicherheit. Hier fielen Faktoren wie z. B. Risiko eines Publikationsbias, Confounding Faktoren und Ungenauigkeiten in den Daten, rein. Der bemessene Sicherheitseffekt fällt gering bis moderat aus, sodass laut der Autoren mehr RCT notwendig seien.
Die Metaanalyse zeigt, dass sich Cranberrysaft positiv auf die Symptome von Harnwegsinfektionen auswirken und diesen vorbeugen kann. Eine erhöhte Trinkmenge senkt den Einsatz von Antibiotika. Eine Kombination aus erhöhter Flüssigkeitsmenge und Cranberrypräparaten in Form von Cranberrysaft zeigt sich signifikant wirksam auf die Infektionsrate und den Einsatz von Antibiotika. Letztendlich erfordert es eine mit dem Patienten gemeinsame Entscheidungsfindung, damit eine nicht-antibiotische Therapie mit Cranberrysaft erwogen werden kann.
Moro, C. Phelps, V. Veer et al., Cranberry Juice, Cranberry Tablets, or Liquid Therapies for Urinary Tract Infection: A Systematic Review and Network Meta-analysis, Eur Urol Focus (2024).
Williams G, Stothart CI, Hahn D, Stephens JH, Craig JC, Hodson EM (2023): Cranberries zur Vorbeugung von Harnwegsinfektionen. In:
Bildquelle: Erstellt mit Midjourney.