Das europäische Health Technology Assessment kommt – und mit ihm die Hoffnung auf schnelleren Zugang zu innovativen Krebsmedikamenten. Doch das könnte sich auch negativ auf eure Patienten auswirken.
Im Januar 2025 tritt die neue Verordnung zur europäischen Health Technology Assessment (EU-HTA) in Kraft. Diese Veränderung im Zulassungsprozess für Arzneimittel in der EU zielt darauf ab, die Bewertung neuer Medikamente und Medizintechnologien zu harmonisieren. Besonders für Krebstherapien, deren Zugang oft von nationalen Bewertungsverfahren abhängt, soll diese Neuerung den Marktzugang beschleunigen und die Versorgung von Patienten in ganz Europa verbessern. Obwohl bisher keine spezifischen Krebsmedikamente offiziell im Rahmen des EU-HTA bewertet wurden (da sich das System noch in der Vorbereitungsphase befindet), wird der Schwerpunkt zunächst auf Onkologie und fortschrittlichen Therapien liegen, einschließlich innovativer Behandlungen wie Zell- und Gentherapien. Doch wie genau wird sich die EU-HTA auf die Zulassung von Krebsmedikamenten auswirken?
Bisher oblag es den einzelnen EU-Mitgliedstaaten, den Nutzen neuer Arzneimittel individuell zu bewerten, was zu Unterschieden im Zugang zu neuen Therapien führte. Insbesondere im Bereich der Onkologie, in dem der Zeitfaktor oft entscheidend ist, resultierten diese Unterschiede teilweise in Verzögerungen. Mit der EU-HTA wird ein gemeinsamer Bewertungsbericht erstellt, der von allen Mitgliedstaaten verwendet wird. Dieser soll sicherstellen, dass Patienten in verschiedenen Ländern künftig gleichzeitig Zugang zu neuen Krebstherapien erhalten.
Ein zentraler Aspekt der neuen Regelung ist die mögliche Verkürzung des Marktzugangs (aktuell dauert die Zulassung von Krebsmedikamenten zwischen 12 bis 14 Monate). Hersteller müssen zukünftig nicht mehr in jedem Land separate Bewertungsverfahren durchlaufen, sondern können sich auf die europaweit einheitliche Bewertung stützen. Dies könnte dazu führen, dass Patienten schneller Zugang zu neuen, innovativen Krebstherapien erhalten.
Gleichzeitig gibt es auch Bedenken, dass eine zentrale Bewertung nicht die individuellen Bedürfnisse der einzelnen Länder ausreichend berücksichtigt. Länder mit unterschiedlichen Gesundheitssystemen und medizinischen Standards könnten dadurch weniger Einfluss auf die Bewertung und Zulassung von Medikamenten haben. Im Bereich der Onkologie, wo die personalisierte Medizin zunehmend an Bedeutung gewinnt, könnte dies zu Herausforderungen führen.
Ein weiterer Aspekt der EU-HTA ist die stärkere Berücksichtigung der Kosteneffizienz bei der Bewertung von Arzneimitteln. Besonders bei onkologischen Therapien, die oft hohe Kosten verursachen, spielt dieser Faktor eine wichtige Rolle. Es stellt sich die Frage, inwieweit teure Therapien, die nur für eine begrenzte Anzahl von Patienten geeignet sind, als kosteneffizient eingestuft werden. Dies könnte möglicherweise zu einer begrenzten Verfügbarkeit von besonders innovativen, aber kostenintensiven Krebstherapien führen.
In Ländern wie Deutschland, die traditionell eine starke Pharmabranche haben, könnte dies Einfluss auf die Erstattung solcher Medikamente durch das Gesundheitssystem haben. Wenn die EU-HTA zu dem Ergebnis kommt, dass ein Medikament nicht kosteneffizient ist, besteht die Möglichkeit, dass nationale Behörden es nicht in ihre Erstattungslisten aufnehmen.
Die Einführung der EU-HTA ist ein Schritt in Richtung einer vereinheitlichten Gesundheitsversorgung in Europa. Für die Onkologie könnte die Harmonisierung sowohl positive Effekte, wie einen schnelleren Zugang zu neuen Therapien, als auch Herausforderungen mit sich bringen. In den kommenden Jahren wird sich zeigen, wie die neue Verordnung die Balance zwischen Innovation, Kosten und Patientenzugang beeinflussen wird.
https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/praevention/nationaler-krebsplan/organisation-des-nationalen-krebsplans.html#c3387
https://www.vfa.de/de/wirtschaft-politik/euro-hta
https://www.vfa.de/de/wirtschaft-politik/eu-hta-verordnung
https://www.vfa.de/de/wirtschaft-politik/abcgesundheitspolitik/europaeische-nutzenbewertung-schnell-erklaert.html
https://health.ec.europa.eu/document/download/84c1ec8f-9be3-4073-aceb-330764c93152_de?filename=hta_regulation-implementation_factsheet_de.pdf
https://www.g-ba.de/presse/pressemitteilungen-meldungen/1117/
https://www.g-ba.de/downloads/17-98-5565/02_Mattenklotz_EU-HTA-Informationsveranstaltung-2023.pdf
https://www.ema.europa.eu/en/human-regulatory-overview/marketing-authorisation/evaluation-medicines-step-step
https://health.ec.europa.eu/health-technology-assessment/regulation-health-technology-assessment_en
https://globalforum.diaglobal.org/issue/august-2024/eu-hta-regulation-are-you-ready-for-2025-joint-clinical-assessment/ 
Bildquelle: Maxim Medvedev, Unsplash