Bei Typ-2-Diabetes sind eine frühe Diagnose und Therapie ausschlaggebend für den Erfolg der Behandlung – trotzdem gibt es Millionen unentdeckte Fälle. Wie sich das auch auf Folgeerkrankungen auswirkt, lest ihr hier.
In Deutschland gibt es schätzungsweise zwei Millionen Menschen mit unentdecktem Typ-2-Diabetes. „Zu viele!“, warnt Prof. Julia Szendrödi, Vizepräsidentin der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG). „Denn je länger ein Diabetes unentdeckt voranschreitet, desto mehr steigt die Gefahr für Folgeerkrankungen wie koronare Herzkrankheit, Schlaganfall, oder Schäden an Gefäßen, die wiederum zu schweren Organerkrankungen führen können“, führt sie aus. „Eine aktuelle Lancet-Studie bestätigt nun, dass eine frühzeitige Diagnostik und die darauffolgende intensivierte Therapie diabetesbedingte Komplikationen verhindern und damit die Lebenserwartung steigern kann.“
Die UKPDS-Studie (United Kingdom Prospective Diabetes Study) von 1998 zeigt an 3.867 Menschen mit Typ-2-Diabetes ein reduziertes Risiko für Folgeerkrankungen bei frühzeitiger Therapie. Dabei wurden zwei Gruppen miteinander verglichen: Die Kontrollgruppe wurde zunächst ausschließlich durch eine Ernährungsumstellung behandelt, wobei höhere Nüchtern-Blutzuckerwerte bis zu 15 mmol/l (270 mg/dl) toleriert wurden. Die Interventionsgruppe erhielt von Anfang an eine intensive Blutzuckerbehandlung mit Medikamenten wie Sulfonylharnstoffen oder Insulin. Nach einer Beobachtungszeit von zehn Jahren zeigte sich, dass die intensiv behandelte Gruppe signifikante gesundheitliche Vorteile hatte: Das Risiko für diabetesbedingte Komplikationen war um 12 % und das Risiko für Herzinfarkte sogar um 16 % reduziert.
In der Nachbeobachtungsstudie der UKPDS wurde nun bestätigt, dass die Vorteile einer frühzeitigen Blutzuckerkontrolle auch 24 Jahre später noch nachweisbar sind. In der Gruppe, die sofort intensiv behandelt wurde, war das Risiko für sämtliche Todesursachen um 10 % verringert. Besonders bemerkenswert ist die Senkung des Herzinfarktrisikos um 17 % und des Risikos für Erkrankungen der kleinen Blutgefäße um 24 %. „Diese langfristigen positiven Effekte bleiben auch dann bestehen, wenn sich die Blutzuckerwerte der anfänglich intensiv behandelten Patienten später denen der konservativ behandelten Gruppe angleichen“, kommentiert Szendrödi. Bei Patienten, die zunächst nur durch eine Diät behandelt und später auf Medikamente umgestellt wurden, konnte kein vergleichbarer positiver Langzeiteffekt festgestellt werden.
Obwohl die UKPDS-Studie auf älteren Therapieansätzen basiert, verdeutlichen die Ergebnisse den Nutzen einer frühen Diagnose und sofortigen darauf abgestimmten, intensiven Therapie bei Typ-2-Diabetes. „In Kombination mit den heutigen modernen Behandlungsoptionen und einem verbesserten Verständnis für die Bedeutung einer guten Arzt-Patienten-Kommunikation haben wir heute mehr denn je die Möglichkeit, die Versorgung von Menschen mit Typ-2-Diabetes weiter zu optimieren und ihre Lebensqualität nachhaltig zu verbessern“, so Szendrödi.
Besonders wichtig ist die Studie auch im Kontext der Gendermedizin: „Frauen mit Diabetes haben ein höheres Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen als Männer. Eine frühzeitige Behandlung ist bei ihnen also umso wichtiger“, gibt Szendrödi zu bedenken.
„Das Gesundheitssystem bietet gute Chancen, einen Diabetes früh zu erkennen. Diese Möglichkeiten müssen auch konsequent genutzt werden – insbesondere bei Risikopatienten. Das Diabetes-Screening sollte mittels Nüchternglukose oder HbA1c stattfinden“, rät DDG Präsident Prof. Andreas Fritsche. Zusätzlich empfiehlt die DDG bei allen Patienten ab 50 Jahren während eines Krankenhausaufenthalts routinemäßig bei der Blutabnahme ein HbA1c-Screening durchzuführen, um beginnenden Typ-2-Diabetes rechtzeitig zu erkennen.
Dieser Beitrag basiert auf einer Pressemitteilung der Deutschen Diabetes Gesellschaft. Die Originalpublikation haben wir euch hier, hier und hier verlinkt.
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