Die Lebersche Hereditäre Optikusneuropathie (LHON) ist eine seltene, genetisch bedingte mitochondriale Erkrankung, die vor allem junge Erwachsene betrifft. Charakteristisch für LHON ist ein rascher, oft beidseitiger Sehverlust, der durch eine Degeneration der retinalen Ganglienzellen und des Sehnervs verursacht wird. Aufgrund der Seltenheit der Erkrankung und des schnellen Fortschreitens stellt die Diagnose eine erhebliche Belastung für die Betroffenen und ihre Familien dar.
Bedeutung der mentalen Gesundheit bei seltenen ErkrankungenDie Lebensqualität von Patient*innen mit seltenen Erkrankungen wie LHON ist ein multidimensionales Konstrukt, das physische, psychische, soziale und emotionale Aspekte umfasst. Die mentale Gesundheit ist ein entscheidender Faktor für die Lebensqualität, da sie die Fähigkeit beeinflusst, mit den Herausforderungen der Erkrankung umzugehen und weiterhin ein erfülltes Leben zu führen. Es ist daher wichtig, die subjektive Perspektive der Patient*innen zu berücksichtigen. Dies kann entscheidend dazu beitragen, die besonderen Bedürfnisse und Herausforderungen im Umgang mit der Erkrankung besser zu verstehen.
Emotionale Reaktion auf die DiagnoseDie Diagnose LHON löst bei vielen Betroffenen eine starke emotionale Reaktion aus, die von Schock und Trauer bis hin zu Angst reichen kann.11 Diese Gefühle sind sehr individuell und hängen von verschiedenen Faktoren ab, wie dem Zeitpunkt der Diagnose, dem sozialen Umfeld und den persönlichen Bewältigungsstrategien. Die plötzliche Aussicht auf ein Leben mit einer Sehbehinderung kann zu einer existenziellen Krise führen, die das gesamte Leben der Betroffenen und ihrer Angehörigen infrage stellt. In einer Befragung gaben über 70 % der Teilnehmer*innen an, dass sie die Erkrankung als negativen Einfluss auf ihr persönliches und berufliches Leben empfinden.1
Langfristige psychologische HerausforderungenLangfristig können bei LHON-Patient*innen psychische Erkrankungen wie Depressionen auftreten. Man schätzt, dass der Anteil von Betroffenen, die klinisch relevante Symptome einer Depression entwickeln ähnlich hoch ist, wie bei Krebspatient*innen, die unmittelbar vor einer Chemotherapie stehen.2 Die Unsicherheit über den Verlauf der Krankheit, die möglichen sozialen Isolationen und die Anpassung an ein Leben mit eingeschränktem Sehvermögen stellen erhebliche psychologische Belastungen dar. Diese können durch Stigmatisierung und Ausgrenzung in der Gesellschaft noch verstärkt werden. Ein fehlendes Verständnis für die Erkrankung in der breiten Öffentlichkeit trägt sicherlich auch zu den psychischen Herausforderungen bei. Dabei haben ältere Betroffene ein höheres Risiko unter negativen psychischen Folgen des Sehkraftverlusts zu leiden als jüngere.2
Bedeutung der psychologischen Beratung und TherapiePsychologische Beratung und Therapie spielen eine entscheidende Rolle in jeder Phase der Erkrankung. Sie helfen den Betroffenen, die Diagnose zu verarbeiten, Bewältigungsstrategien zu entwickeln und langfristige psychische Belastungen zu mindern. Dabei ist es wichtig, dass die Therapie individuell an die Bedürfnisse der Patient*innen angepasst wird, da es intra- und interindividuelle Unterschiede in der Verarbeitung und den Bewältigungsstrategien gibt. Dabei sind nicht nur psychotherapeutische Hilfsangebote relevant. Viele Betroffene berichten zum Beispiel, dass die augenärztliche Betreuung für sie eine wichtige mentale Stütze ist.22
Rolle von Selbsthilfegruppen und GemeinschaftsunterstützungSelbsthilfegruppen bieten den Betroffenen eine wertvolle Plattform für den Austausch von Erfahrungen und den Erhalt von emotionaler Unterstützung. Der Aufbau eines Netzwerks aus Fachärztinnen, Psychotherapeutinnen und Selbsthilfegruppen ist essenziell, um den Patient*innen eine ganzheitliche Betreuung zu ermöglichen. Ein solches Netzwerk kann dazu beitragen, die Lebensqualität zu verbessern und das Gefühl der Isolation zu reduzieren.
Techniken zur Stressbewältigung und ResilienzförderungZur Förderung der Resilienz und zur Bewältigung von Stress können verschiedene Techniken angewendet werden. Dazu gehört das Entwickeln einer neuen Haltung gegenüber der Erkrankung, das Setzen neuer Prioritäten im Leben, die Fokussierung auf das Wesentliche und der Einsatz von Hilfsmitteln im Alltag. So steht beispielsweise die Nutzung elektronischer Sehhilfen in Verbindung zu einem besseren sozialen Wohlbefinden.2 Hobbies und Sport können ebenfalls wichtige Ressourcen darstellen, die das psychische Wohlbefinden stärken. Diese individuellen Bewältigungsstrategien können dazu beitragen, trotz der Herausforderungen ein erfülltes und zufriedenes Leben zu führen.
Spannende Einblicke dazu, wie man solche Strategien im Alltag umsetzen kann, geben verschiedene Betroffene im LHONCAST.
Patient*innen mit LHON stehen vor erheblichen Herausforderungen, die sowohl physische als auch psychische Aspekte ihrer Lebensqualität betreffen. Die Bedeutung der mentalen Gesundheit sollte nicht unterschätzt werden, da sie ein entscheidender Faktor für die Bewältigung der Erkrankung und die Aufrechterhaltung eines erfüllten Lebens ist.2
Was die Stimmen der Betroffenen aus dem LHONCAST uns auf jeden Fall zeigen: auch mit einer seltenen Erkrankung wie LHON ist ein selbstbestimmtes und erfülltes Leben möglich! Mit der richtigen Unterstützung ist es für Betroffene möglich, die Erkrankung als Teil ihres Lebens zu akzeptieren und sie nicht (nur) als Belastung zu empfinden.
Eine ganzheitliche Betreuung, die sowohl medizinische als auch psychosoziale Aspekte berücksichtigt, ist für Patient*innen mit LHON von zentraler Bedeutung.2 Wichtig ist dabei insbesondere, Betroffene auf mögliche Hilfsangebote wie psychologische Unterstützung hinzuweisen, da viele solche Angebote (noch) nicht in Anspruch nehmen.2 Und auch die Angehörigen dürfen nicht vergessen werden, denn sie leiden ebenfalls häufig unter psychischen Belastungen. Diese könne sich in Form von Ängsten, Sorgen, Frustration und sogar Depression manifestieren und sollten adäquat behandelt werden.