Moderne Methoden der DNA-Sequenzierung ergänzen herkömmliche Diagnostik-Tests. So konnten Hamburger Forscher rasch den Verdacht einer neuen Virus-Epidemie in Schleswig-Holstein entkräften: Dieser kam auf, als drei Polizisten fast zeitgleich lebensbedrohlich erkrankten.
Nach jahrelanger Anstrengung verkündeten Wissenschaftler 2001, dass sie zum ersten Mal das Erbgut des Menschen komplett sequenziert hätten. Seitdem hat die DNA-Sequenzierung rasante Fortschritte gemacht: Mittlerweile ist es möglich, die rund 3,4 Milliarden Basenpaare des menschlichen Genoms in wenigen Tagen zu entschlüsseln. Genauso gelingt es mit den modernen Hochdurchsatz-Methoden, rasch die genetischen Fingerabdrücke von Krankheitserregern in klinischen Proben zu identifizieren. Doch angesichts der riesigen Datenmengen, die bei solchen DNA-Sequenzierungen in kurzer Zeit anfallen, werden anwenderfreundliche Computerprogramme, die die molekularen Informationen rasch analysieren und interpretieren, immer wichtiger. Hamburger Forscher um Privatdozentin Nicole Fischer und Professor Adam Grundhoff haben eine Software entwickelt, die zukünftig Ärzten den Zugang zu den genetischen Daten wesentlich vereinfachen soll, wenn diese Proben auf Krankheitserreger untersuchen lassen.
Wie Fischer und Grundhoff nun in der Fachzeitschrift Emerging Infectious Diseases berichten, konnte sich die Nachweismethode mitsamt der neuen Software im klinischen Einsatz bewähren, als im vergangenen Jahr drei Polizisten aus Schleswig-Holstein nahezu zeitgleich schwer erkrankten. Die Polizisten litten alle an einem akuten Lungenversagen und wurden in der Intensivstation des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) behandelt; einer der Patienten verstarb in Folge eines multiplen Organversagens. Die Ärzte konnten mit den herkömmlichen diagnostischen Verfahren keinen spezifischen Krankheitserreger nachweisen. Sogleich äußerten regionale Tageszeitungen die Befürchtung, dass womöglich ein neuer oder mutierter Virus hinter den Krankheitsfällen steckt und dieser sich in der Bevölkerung weiter ausbreiten könnte. Um den Verdacht zu klären, wurden Fischer und ihre Mitarbeiter zurate gezogen. Mit Hilfe der Hochdurchsatz-Methode untersuchten die Forscher dann mehrere Proben, die den drei Patienten per bronchoalveolärer Lavage vorher entnommen worden waren. Die vollständige Sequenzierung einer Probe dauert mit dem modernen Verfahren rund 36 bis 48 Stunden, mehrere Proben können parallel analysiert werden. „Wir konnten mit der Hochdurchsatz-Methode zweifelsfrei belegen, dass kein Zusammenhang zwischen den Erkrankungen der Polizisten bestand“, sagt Fischer, Leiterin einer Arbeitsgruppe am Institut für Medizinische Mikrobiologie, Virologie und Hygiene des UKE.
In den Proben eines Patienten entdeckte das Team um Fischer die DNA von Chlamydophila psittaci – einem Bakterium, das die Papageienkrankheit verursacht. Sie wird durch das Einatmen getrockneten Vogelkots übertragen und löst bei infizierten Menschen meist eine schwere Lungenentzündung und grippeähnliche Symptome aus. Da die Papageienkrankheit bei Menschen nur sehr selten auftritt, enthalten diagnostische Standardtests keinen Nachweis auf Chlamydophila psittaci. In den Proben der beiden anderen Patienten fanden die Forscher keine pathogenen Erreger: „Wahrscheinlich hatten deren Erkrankungen keine infektiöse Ursache“, sagt Fischer. „Dank dem Einsatz der Hochdurchsatz-Methode konnten wir ausschließen, dass die Krankheitssymptome der Patienten durch einen veränderten Virus verursacht wurden.“ Beim Patienten mit der Papageienkrankheit, so die Forscherin, habe die Identifizierung des Erregers auch die Richtigkeit der bereits eingeleiteten Therapie mit Antibiotika bestätigt. Einer routinemäßigen Anwendung der modernen DNA-Sequenzierungstechnologie in der Klinikdiagnositk stehen noch die hohen Kosten entgegen: Die Untersuchung einer Probe kostet momentan zwischen 350 und 500 Euro, die Analyse derselben Probe mit der herkömmlichen PCR-Methode dagegen nur rund 20 Euro. „Die DNA-Sequenzierung von Krankheitserregern mit Hilfe der Hochdurchsatz-Methode bleibt in nächster Zeit schweren und unklaren Fällen vorbehalten“, sagt Fischer. „Für einen breiteren Einsatz muss das Verfahren außerdem optimiert und validiert werden. Es ist noch nicht klar, wie spezifisch und sensitiv es im Vergleich zur PCR-Methode ist.“
Andere Experten sehen das ähnlich: „Wenn sich Kosten und Aufwand in Grenzen halten sollen, ist die Sensitivität der Hochdurchsatz-Technologien noch nicht so gut wie bei der PCR-Methode“, sagt Professor Thomas Schulz, Direktor des Instituts für Virologie der Medizinischen Hochschule Hannover. „Allerdings kann man mit ihr ohne Kenntnis des Erregers Proben sequenzieren – im Gegensatz zur PCR-Methode, bei der man wissen muss, wonach man sucht.“ Deshalb, so Schulz, würden die Hochdurchsatz-Methoden der DNA-Sequenzierung schon bald in den universitären Diagnostiklabors Einzug halten, um Ärzten bei speziellen Fragestellungen weiterzuhelfen. Jedoch kann kein noch so gutes Verfahren einen erfahrenen Mikrobiologen ersetzen. Denn dieser, so Schulz, müsse letztendlich die vorliegenden Daten in den richtigen Zusammenhang mit den Symptomen des Patienten bringen.