Hier ein paar Milliönchen verbrennen, da ein paar Mitarbeiter zwangsversetzen und fertig ist das BIPAM. Das neue Institut soll Deutschen erklären, wie man gesund lebt. Aber nicht mal die involvierten Parteien verstehen, was das überhaupt soll.
Kurz vor der Sommerpause war es noch so weit – das Bundeskabinett winkt das Gesetz zur Stärkung der Öffentlichen Gesundheit durch und legt damit den Grundstein zur Errichtung des Bundesinstituts für Prävention und Aufklärung in der Medizin (BIPAM). Zwar enthielt der letzte Entwurf noch einmal einige Änderungen, doch sind dies mehr Nuancen geblieben und damit die Hoffnungen derer zerstört, die noch auf Besserungen in der inhaltlichen Ausrichtung gesetzt hatten.
Eine Änderung, die den Steuerzahler erfreuen dürfte, ist die angepasste Finanzplanung des Bundesministeriums. Das BMG rechnet für 2025 mit Mehrausgaben von 30 Millionen Euro für „Geschäftsbedarf, Aus- und Fortbildung der Bediensteten, den Aufbau, Betrieb und die Weiterentwicklung von Informationstechnik und für Fachaufgaben.“ Bei etwa 515 Mitarbeitern wären das ca. 40.000 Euro für Aus- und Weiterbildungen im Jahr, 3.300 Euro im Monat. 8 Millionen wären dann immer noch für neue Geschäftsbedarf und Informationstechnik übrig – das wären 4.000 Euro für PCs, Handys je Angestellter und 5,8 Millionen zur Einrichtung neuer Datenbanken. Man will scheinbar gut ausgerüstet sein in der neuen Behörde.
Die Summen und Anschaffungen scheinen noch ein wenig unverständlicher, wenn man bedenkt, dass es sich bei allen Mitarbeitern der neuen Bundeseinrichtung um gestandene Wissenschaftler und Mitarbeiter aus den Vorgänger-Institutionen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (alle 334 Angestellten) und des Robert-Koch-Instituts (180) mit entsprechend vorhandener Infrastruktur handelt.
Grade an der Frage nach Personal – und Personalzusammenlegung hängen sich die Kritiker derzeit auf. So sei die Herauslösung einer Abteilung aus dem RKI für alle Seiten eine Knüppelschlag. Der Beirat des Robert-Koch-Instituts befürchtet einen „Reputationsverlust, mit erheblichen Implikationen, auch für die Nachbesetzung zentraler Leitungspositionen“, der noch dadurch verstärkt wird, dass die Dienststellenwechsler nur befristete Finanzierungszusagen bis Ende 2024 sowie für die Nachbesetzung der Abteilungsleitung erhalten haben. Im schlimmsten Falle drohe ein „Verlust langjährig erworbener Expertise in Kernbereichen wie dem Gesundheitsmonitoring“.
„Für diese Trennung gibt es weder fachliche Argumente noch internationale Vorbilder – wie das BMG auf diese absurde Idee kommt, ist mir völlig schleierhaft“, bringt es Rolf Rosenbrock, Vorsitzender des Paritätischen Gesamtverbands, auf den Punkt.
Mit einer ganz anderen Alternative machte der Personalrat des RKI auf sich aufmerksam. „Ein um die BZgA erweitertes RKI wäre das erforderliche zentrale deutsche Public-Health-Institut und zugleich das Leitinstitut für den öffentlichen Gesundheitsdienst“, so der Wortlaut in einem offenen Brief.
Wer noch nicht genug Fragezeichen in die Luft starrt, darf noch darüber sinnieren, weshalb eine „selbstständige Bundesoberbehörde“ nicht wie 99 % aller Bundeseinrichtungen in Berlin sitzt sondern ausnahmsweise 2 Dienstsitze – in Köln und Berlin – erhält. Weil das BZgA in Köln saß? Weil der neue Dienststellenleiter des BIPAM, Dr. Johannes Nießen, Rheinländer ist? Jedenfalls hätte es sich angeboten, dass mit Errichtung einer neuen Institution kostenschonende vorhandene Strukturen an lediglich einem Ort genutzt würden. Schade, dass weder BZgA noch BMG uns erklären wollten, weshalb man alles in doppelter Ausführung braucht.
Doch nicht nur Verwaltung- und Personalfragen rufen Zweifler auf den Plan. Auch die gesamte Zielsetzung wird in Frage gestellt. „Der aus der Fachwelt erwartete und erhoffte institutionelle Rahmen, um Public Health in Deutschland zusammenzuführen und neu auszurichten, ist aus unserer Sicht ausgeblieben“, konstatiert die Deutsche Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention.
Auch das RKI selbst ist kritisch, dessen Beirat festhält, dass der aktuelle Plan „in klarem Widerspruch zu dem hohen Bedarf an aktuellen, qualitätsgesicherten Daten zu Gesundheit in Deutschland und dem erklärten Ziel, Public Health in Deutschland zu stärken“, steht.
„Wissenschaftlich macht das keinen Sinn, weil beide Krankheitstypen ähnliche Risikofaktoren haben und oft gemeinsam auftreten“, bringt Raimund Geene, RKI-Beiratsmitglied und Wissenschaftler an der ASH Berlin, die Forscherperspektive mit ein. Auch das Zukunftsforum Public Health geht auf diesen Punkt ein und spricht von 3 entscheidenden Designfehler des gesamten Konzepts. So fehle der versprochene Healt-in-al-policies-Ansatz, der Fokus auf drei Krankheitsgruppen ist zu eng und eine „dysfunktionale Versäulung durch institutionelle Trennung von Infektionskrankheiten und nicht-übertragbaren Krankheiten“
Dazu kommen die Stimmen, denen entscheidende Kompetenzen und Aufgaben im BIPAM fehlen: „Die Bevölkerung sollte auf die mögliche Impfprävention schwerer oder tödlicher Verläufe von Infektionserkrankungen hingewiesen werden. Insbesondere sollte das häufig fehlende Wissen über Erreger, Krankheitsverläufe, Erkrankungsrisiko und mögliche Folgeerkrankungen impfpräventabler Infektionskrankheiten sowie die Herstellung, Zulassung, Empfehlungen von Impfstoffen und deren Anwendung in der Bevölkerung über alle Altersgruppen hinweg gesteigert werden“, so der Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD).
„Das geplante BIPAM sollte daher eine umfassende Präventionsstrategie verfolgen, die auch psychische Erkrankungen berücksichtigt. Name und Konzept des Instituts müssen der Multidisziplinarität von Prävention und Gesundheitsförderung Rechnung tragen. Dies gilt auch für die zu beteiligende Expertise“, fordert Prof. Gudrun Sproesser, Sprecherin der Fachgruppen Gesundheitspsychologie.
Einig sind sich viele Kritiker immerhin in einem Punkt – dass die Arbeit selbst und deren positive Auswirkungen ohnehin erst in Jahren zu spüren wären.
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