Ein seltener Parasit bei einem jungen immungesunden Patienten? Irgendwas stimmt hier nicht. Als mir der Mann von seinem idyllischen Tauch-Trip in Mexico erzählt, ist plötzlich alles klar.
Kryptosporidien? Bei einem jungen immungesunden Patienten? Ich blicke nachdenklich auf das Ergebnis der Stuhlprobe. Infektiologische Sprechstunde, ein junger Mann stellt sich mit schweren Diarrhoen vor. Er war kürzlich in Mexiko, die Beschwerden begannen aber erst 10 Tage nach Rückkehr. Der Patient hat 4 kg Gewicht abgenommen und berichtet neben Gliederschmerzen, extremer Abgeschlagenheit und den aktuell mehrmals täglichen wässrigen Durchfällen auch über Fettstühle und Fieber.
Ich frage nach einer bekannten HIV-Infektion. Das wird verneint, ein Test vor einigen Monaten war negativ und es gab keine Risikosituationen. Ich frage nochmals genauer nach der Reise – und jetzt kommt langsam Licht ins Dunkel. Der Patient war am letzten Tag seiner Reise Schnorcheln in den Cenoten von Yukatan – wunderschöne Höhlensysteme im Karstgestein, die mit Süßwasser gefüllt sind. In manchen kann man schwimmen oder sogar tauchen.
Eine Cenote in Mexiko – was hat das mit schwerstem Durchfall zu tun? Credit: Wikimedia Commons.
Die besagte Höhle ist sehr beliebt, hunderte Touristen jeden Tag sind die Regel und der Patient hat beim Schnorcheln vor lauter Staunen über die atemberaubenden unterirdischen Welten immer mal wieder etwas (mutmaßlich ordentlich kontaminiertes) Wasser geschluckt. Jetzt passt auch das Ergebnis der Stuhlprobe. Ich kläre ausführlich über die bei Immungesunden selbstlimitierende Kryptosporidien-Infektion auf, dennoch schließen wir erneut eine HIV-Infektion oder anderweitige gängige Krankheiten mit Immunsuppression aus. Dem Patienten geht es langsam besser, nach etwa einer Woche sistieren die Durchfälle.
Eine Rarität? Keineswegs. In der infektiologischen und tropenmedizinischen Sprechstunde gehören hartnäckige Durchfälle zum Tagesgeschäft und sind zudem häufige Mitbringsel aus dem (tropischen) Ausland.
Inzidenzen meldepflichtiger Erreger 2021 in Deutschland? Credit: RKI.
Woran muss man denken und wie geht man vor? Die November 2023 aktualisierte Leitlinie Gastrointestinale Infektionen gibt klare Vorgaben:
Grundsätzlich nur bei Konsequenz – sprich: ich werde/muss therapieren, die Erkrankung melden, einen Patienten isolieren. Das gilt bei:
Speziell bei Reiserückkehrern kommen meistens die Szenarien von Durchfall mit Fieber und/oder Blut oder ein langandauernder Durchfall vor. Im ersten Fall muss man von einem invasiven meist bakteriellen Keim ausgehen, der systemische Reaktionen (Fieber) hervorruft und/oder die Darmmukosa schädigt (Blut). Im zweiten Fall sind oft Parasiten im Spiel, daher sollte man bereits ab 6 Tagen Diarrhoe untersuchen.
Endoskopische Diagnostik hat in der Erstdiagnostik selten einen Stellenwert, wird aber im Verlauf bei ungeklärter chronischer Diarrhoe und Immunsuppression sowie zur Differentialdiagnostik immer wichtiger. Auch eine Tumorerkrankung kann die Ursache sein!
Hier wird oftmals entweder mit der Gießkanne „alles“ untersucht – was in PCR-Panels manchmal Befunde ohne Konsequenz liefert. Gleichzeitig werden gerade nach Auslandsreisen wichtige Erreger vergessen.
In Deutschland testet man bei ambulant erworbener Diarrhoe auf:
Bei Reiserückkehrern sieht das etwas anders aus:
Erreger und Symptomatik. Credit: S2K Leitlinie.Ganz besonders gründlich muss man bei Menschen mit einer Immunsuppression sein, das mögliche Erregerspektrum ist hier ungleich größer. Daran denken: Bei Langzeitreisenden kann hinter allem eine neu erworbene HIV-Infektion z. B. durch ungeschützten Sex stecken.
Die erste Frage, die man beantworten muss: Muss der Patient stationär aufgenommen werden oder ist ambulante Behandlung möglich? Eine stationäre Behandlung ist bei starker Dehydratation, Bewusstseinsstörungen, unkontrollierbarem Erbrechen und manifester bzw. drohender Schocksymptomatik bei nicht ausreichender oraler Rehydratation nötig.
An erster Stelle steht die Flüssigkeitssubstitution, die idealerweise oral erfolgt – bei Hypovolämie sollten bis zu 4 Liter oraler Rehydratationslösung in 4 Stunden gegeben werden (in Abhängigkeit der Herzfunktion). Intravenös rehydrieren muss man bei > 10 % Gewichtsverlust, Schock, Vigilanzminderung, Azidose und unmöglicher/unzureichender oraler Flüssigkeitsgabe. Darüber hinaus kann man kurzfristig Antiemetika sowie Analgetika nach WHO-Stufenschema und Buscopan® zur Linderung von krampfartigen Schmerzen geben.
Von einer spezifischen Diät wird ebenso wie von Probiotika klar abgeraten. Mit Loperamid muss man sehr vorsichtig sein: Bei kurzen Episoden < 48 Stunden kann man es geben, bei blutiger und/oder fiebriger Diarrhoe und bei Kindern ist es nicht erlaubt. Auch von Metamizol wird aufgrund des Nebenwirkungsprofils abgeraten.
In der Regel nein. Warum? Die meisten akuten Infektionen sind selbstlimitierend und der Kollateralschaden an der Darmflora ist enorm. Daher wird selbst bei Immunsuppression nur in Ausnahmefällen empirisch behandelt. Dies gilt z. B. beim Verdacht auf eine invasive Enteritis mit blutiger Diarrhoe und selbstredend bei Sepsis sowie ausgedehnten Immundefekten. Hier therapiert man in der Regel zunächst mit Azithromycin. In diesem Fall sollte unbedingt wie o. a. Erregerdiagnostik erfolgen, damit nach der empirischen Therapie eine gezielte Behandlung je nach Keim gemäß der Leitlinie erfolgen kann.
Empfehlungen zur Antibiotischen Therapie. Credit: S2K Leitlinie.
Der menschgemachte Klimawandel hat erhebliche Einflüsse auch auf gastrointestinale Infektionen:
Das Thema gastrointestinaler Infektionen wird uns daher in Zukunft noch mehr denn je herausfordern.
Bildquelle: Jakob Owens, unsplash