Jeder Reisemediziner kennt sie – die verwirrenden Regeln rund um die Gelbfieber-Impfung. Die WHO sagt eine reicht, die STIKO sieht das anders. Ich erkläre die Hintergründe.
„Ja, brauche ich jetzt noch eine zweite Gelbfieber-Impfung oder nicht? Und warum geht das nur bei Ihnen und nicht beim Hausarzt?“ Jeder Reise- und Tropenmediziner kennt es – die verwirrenden Regeln rund um die Gelbfieber-Impfungen. Über die sehr gefährliche Erkrankung aus der Gruppe der viralen hämorrhagischen Fieber habe ich bereits berichtet.
Der Großteil der Fälle (90 %) tritt in Afrika auf, aber auch in Mittel- und Südamerika gibt es Gelbfieber. Asien ist (noch) Gelbfieber-frei, warum das trotz zur Übertragung geeigneten Mücken so ist, weiß keiner so genau.
Gelbfieber-Risikogebiete. Credit: Wikimedia Commons
Wie kann man sich schützen? Nicht gestochen werden – und durch eine sehr wirksame Lebendimpfung. Heute möchte ich daher die Hintergründe der komplexen Impfvorschriften etwas näher beleuchten.
In Deutschland gibt es strenge Regeln für Gelbfieber-Impfstellen: Nur auf Antrag können Ärzte beim zuständigen Landesministerium für Gesundheit die Zulassung bekommen, die Voraussetzungen sind natürlich überall etwas anders (Hurra, Föderalismus …) aber grundsätzlich werden sowohl besondere ärztliche Qualifikationen wie reisemedizinische Fortbildungen als auch strenge Strukturvorgaben wie Überwachung der Impfstoffe mit Temperaturprotokollen und ausgiebiger Dokumentation gefordert. Die zugelassene Gelbfieber-Impfstelle bekommt eine individuelle Impfstellen-Nummer und einen eigenen Stempel, damit wird im gelben WHO-Impfpass (in der Regel auf Seite 2 und 3) die Impfung bestätigt. Und dieser Stempel entscheidet an der Grenze darüber, ob der lang ersehnte Urlaub klappt oder nicht. Die Regularien sind so streng, weil man ein amtliches Dokument ausstellt.
Und ist dieses Dokument dann dauerhaft gültig? Jein, hier wird es verwirrend und leider macht es Deutschland sich mal wieder schwer. Es war lange Konsens, dass eine einzige Lebendimpfung lebenslangen Schutz gegen Gelbfieber bietet (mit Ausnahme einiger Risikogruppen wie Patienten mit Immunsuppression). Für das Zertifikat im Impfpass wurde jedoch von der WHO eine einmalige Auffrischung nach 10 Jahren vorgegeben – ein Widerspruch, da nun alle aus rein formalen Gründen eine medizinisch oft nicht notwendige Impfung brauchten. 2013 wurde das endlich vereinheitlicht, so dass eine einzelne dokumentierte Impfung ausreicht. Zur Verdeutlichung kann man den etwas sperrigen WHO-Terminus „life of person vaccinated“ handschriftlich unter dem Stempel ergänzen.
Die deutsche STIKO (wohlgemerkt ein Land, was hoffentlich absehbar weder tropisch noch Gelbfieber-Gebiet ist) hatte sich ausgerechnet mitten in der Corona-Pandemie mit der Gelbfieber-Impfung beschäftigt und kam nach ausgiebiger Studiensichtung zu dem Schluss, dass es keine gesicherte Evidenz für lebenslangen Schutz mit nur einer Impfung gibt: Sie empfiehlt seit August 2022 wieder zwei Impfungen.
Die STIKO hat dafür eine eigene Metaanalyse durchgeführt, dabei allerdings gewisse Studien ausgeschlossen. Nach diesen Daten sind die Gründe für die Entscheidung nachvollziehbar, zeigen aber auch deutsches Sicherheitsdenken was jedes hypothetische Risiko ausschließen möchte. Damit wird die praktische Umsetzung schwierig und wirft mehr Fragen auf, als sie beantwortet. Die STIKO thematisiert immerhin neben den richtigen Argumenten für eine zweite Impfung auch die negativen Auswirkungen ihrer Neubewertung wie die entstandene Diskrepanz zwischen ihren und den Empfehlungen der WHO, die zusätzlichen Kosten sowie den häufigen weltweiten Impfstoffmangel. In tropenmedizinischen Beratungen sind diese Widersprüche schwer vermittelbar.
Im Januar 2024 ist eine neue Metaanalyse im Lancet erschienen, die nach Einschluss weiterer Studien der STIKO-Analyse widerspricht und wiederum grundsätzlich einen lebenslangen Schutz für Menschen in Nicht-Endemiegebieten sieht – das sind vor allem Reisende.
Ausnahme: Patienten mit HIV und kleine Kinder unter zwei Jahren, die nach 10 Jahren eine Auffrischimpfung erhalten sollten.
Ja und was jetzt? Eigentlich könnte man auch in Deutschland wieder zum Status quo zurück. Hoffen wir, dass die STIKO sich dieser Daten annimmt, die aktuelle Empfehlung überarbeitet und eine klarere, praxistaugliche Empfehlung gibt.
Bis dahin kann man das verwirrende Thema Gelbfieber-Impfung zusammenfassen: Bei Tropenreisen nach Afrika und Südamerika essenziell, formal gemäß WHO und für gesunde Erwachsen eine Impfung nötig, für Risikogruppen ist eine zweite Impfung sinnvoll.
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