Sollte man Pferden kaputte Zähne ziehen? Die Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten, denn Pferde äußern Zahnschmerzen nicht. Ein Experte gibt wichtige Tipps.
Anders als in der Humanmedizin äußern Pferde Schmerzen durch Probleme mit den Zähnen nicht, was es schwierig macht zu entscheiden, ob der erkrankte Zahn besser gezogen werden sollte oder ob er belassen werden kann. Dr. Carsten Vogt, renommierter Pferdezahnpraktiker aus Ottersberg, liefert auf dem diesjährigen Tierärztekongress zu Leipzig eine kurze und prägnante Entscheidungshilfe.
Bedeutsam für die Entscheidung, ob ein frakturierter Schneidezahn extrahiert werden sollte, ist der Verlauf der Frakturlinie sowie die Frage, ob die Pulpahöhle beim vorliegenden Trauma eröffnet worden ist oder nicht. Vogt differenziert hierbei klar: „Längsfrakturierte Schneidezähne werden gezogen, solche mit Horizontalfrakturen können evtl. belassen oder müssen vorher z. T. aufwändig endodontisch versorgt werden“. Gerade geriatrische Patienten weisen häufig Apikalinfektionen auf, welche sich in Fisteln mit Austritt in die Gingiva zeigen. Zwar sind diese Veränderungen schmerzlos, zeigen aber radiologisch Veränderungen, die eine Behandlung nötig machen. In der Literatur besteht nach wie vor keine Einigkeit darüber, ob solche Zähne zu extrahieren sind.
Auch die immer öfter diagnostizierte Equine Odontoclastic Tooth Resorption and Hypercementosis (EOTRH) ist nicht sofort Grund für eine Entfernung aller Zähne, da sie in unterschiedlichem Schweregrad auftritt, erklärt der Zahnspezialist weiter.
Anders verhält es sich mit Wolfszähnen, so Vogt. Nach wie vor bleibt die Literatur eindeutige Hinweise darauf, dass diese die Rittigkeit des Pferdes beeinträchtigen, schuldig. Somit, mahnt der Zahnspezialist an, dürfen die Zähne nicht einfach so entfernt werden. Es bedarf nach Tierschutzgesetz einer strengen Indikation.
Für das Ziehen von Backenzähnen sind die Gründe dagegen vielfältig: „Bei Frakturen, Apikalinfektionen, Stellungsanomalien, Polyodontien, Parodontalerkrankungen, Infundibularkaries und Missbildungen oder Neoplasien“, führt Vogt aus, „sind Extraktionen notwendig“. Trotzdem muss vorher immer ein ausführlicher Vorbericht erhoben und eine gründliche klinische Untersuchung durchgeführt werden. Hieran können sich dann eine Röntgenuntersuchung und bestenfalls eine Computertomografie anschließen. „Diese liefert einen guten dreidimensionalen Überblick und stellt somit eine wertvolle Ergänzung für die Entscheidungsfindung dar.“
Quelle:
Vogt C. Der Zahn muss raus!? Rackwitz R, Truyen U (Hrsg): LBH: 12. Leipziger Tierärztekongress – Tagungsband 2. Leipzig, 2024.
Bildquelle: Helena Yankovska, unsplash