Nicht nur Liebe geht durch den Magen – bei Angst und Ekelgefühlen sinkt sogar der pH-Wert im Magensaft. Schlagen Gefühle also doch mehr auf den Bauch als wir bisher dachten?
Der Magen steht mit Emotionen stark in Verbindung, das ist nicht neu. Liebe, Angst, Ekel oder Stress rufen die unterschiedlichsten Empfindungen hervor; die Darm-Hirn-Achse lässt grüßen. Darunter verstehen Forscher eine bidirektionale Verbindung zwischen dem zentralen Nervensystem (Gehirn und Rückenmark) und dem enterischen Nervensystem (ENS) im Darm. Diese Achse ist ein komplexes Netzwerk aus Nervenbahnen, biochemischen Signalen und mikrobiellen Interaktionen.
Das Konzept ist im Groben bekannt, doch über Details wussten Forscher recht wenig. Das lag vor allem daran, dass Messungen bei viszeralen Organen nur invasiv möglich sind, was ebenfalls Emotionen auslöst. Jetzt haben Forscher einen neuen, innovativen Ansatz gewählt.
Grundlage ihrer Studie war eine Minipille oder SmartPill, die Gastroenterologen normalerweise für Kapselendoskopien verwenden. Sie misst den pH-Wert, die Temperatur sowie den Druck im Magen-Darm-Bereich. Alle Daten gelangen per Bluetooth zur Auswertung an einen Computer.
Zusätzlich zu den physiologischen Markern der gastrointestinalen Aktivität wurden subjektive Bewertungen der wahrgenommenen Emotionen per Fragebogen erfasst. Veränderungen der Herzfrequenz, der Herzfrequenzvariabilität und des spontanen Augenblinzelns als nicht gastrische Marker der emotionalen Erfahrung kamen mit hinzu.
Das Design der Studie. Credit: Giuseppina Porciello et al.
Insgesamt nahmen 30 gesunde Männer an der Studie teil. Sie wurden gebeten, sich fünf Blöcke mit jeweils 24 Videoclips anzusehen. Vier Blöcke waren mit einer bestimmten Emotion verbunden, nämlich Freude, Ekel, Trauer und Angst. Ein zusätzlicher Block mit neutralen Videoclips diente als Kontrolle.
Die Videoclips waren bearbeitete, farbige Filmausschnitte ohne Ton mit einer Dauer von jeweils rund neun Sekunden. Ihre Wirkung wurde bereits in einer früheren Studie evaluiert. Dabei befand sich die SmartPill im Magen, im Dünndarm oder im Dickdarm der Probanden.
Bei Teilnehmern, die ekelerregende oder angsteinflößende Videoclips ansahen, gab es nicht nur bei der Herz- und Atemfrequenz Auffälligkeiten, verglichen mit dem Kontrollvideo. Im Magen kam es zu erheblichen Veränderungen des Säuregehalts, die mit dem emotionalen Zustand zusammenhingen. Wenn Probanden ekelerregende Videoclips ansahen, berichteten sie per Fragebogen umso mehr von Ekel- und Angstgefühlen, je saurer der pH-Wert war. Im Unterschied dazu waren bei Glücksgefühlen höhere pH-Werte messbar.
Ergänzend zu den Ergebnissen im tiefen Magenbereich stellten die Wissenschaftler fest, dass ekelerregende Stimuli im Vergleich zu neutralen Szenarien einen signifikanten Anstieg der Herzfrequenzvariabilität auslösten. Bei angsteinflößenden Videos wurde auch ein Rückgang der Herzfrequenz aufgezeichnet.
Doch die wissenschaftliche Reise ist damit noch nicht zu Ende. Die Forscher planen, zusätzlich zur Magenaktivität auch die Gehirnaktivität per Elektroenzephalographie abzubilden, um weitere Spuren der „Flugzeuge im Bauch“ zu erfassen.
Bildquelle: Maryam Sicard, unsplash