Welche der bekannten Fettweg-Spritzen hilft denn nun am besten beim Abnehmen – und wie schlimm sind die Nebenwirkungen wirklich? Lest hier alles, was ihr dazu wissen müsst.
Eine aktuelle Studie hat die Wirksamkeit von Semaglutid (Ozempic®, Wegovy®) und Tirzepatid (Mounjaro®) hinsichtlich der Gewichtsabnahme verglichen. Diese beiden Wirkstoffe, die ursprünglich zur Behandlung von Typ-2-Diabetes entwickelt wurden, zeigen vielversprechende Ergebnisse bei der Behandlung von Adipositas. Auch der Hype über die Sozialen Medien hat bereits dafür gesorgt, dass die Handelspräparate derzeit nur schwer bis gar nicht erhältlich sind, und sogar Diabetespräparate mit dem Wirkstoff Dulaglutid (Trulicity®) unter der Hand im Internet zum Abnehmen angeboten werden.
Doch sind beide Abnehmspritzen gleichermaßen wirksam und lassen sie alle die Kilos purzeln? Die Studie untersuchte die Wirksamkeit beider Medikamente bei über 18.000 Erwachsenen in den USA und verglich ihre Effekte auf das Körpergewicht über einen Zeitraum von bis zu zwölf Monaten.
Der Wirkstoff Semaglutid gehört zur Gruppe der GLP-1-Rezeptor-Agonisten. Es wird zur Therapie von Typ-2-Diabetes und gleichermaßen auch zur Gewichtsreduktion bei Adipositas eingesetzt. Semaglutid wirkt als GLP-1-Analogon, das selektiv an den GLP-1-Rezeptor bindet. Dies führt zu mehreren Effekten:
Diese Wirkungen werden durch eine Erhöhung des intrazellulären cAMP-Spiegels und die Aktivierung der Proteinkinase A über einen GS-Rezeptor vermittelt. Zusätzlich verlangsamt Semaglutid die Magenentleerung und erhöht das Sättigungsgefühl, was wahrscheinlich über peptiderge, Proglucagon-exprimierende Nervenzellen im Nucleus tractus solitarii des Hirnstamms vermittelt wird.
Der Wirkstoff Tirzepatid ist ein Analogon des glukoseabhängigen insulinotropen Peptids (GIP) und wirkt als dualer Agonist an GIP- und GLP-1-Rezeptoren. GIP ist ein gastrointestinales Peptidhormon aus der Familie der Inkretine. Es wird in den K-Zellen des Zwölffingerdarms und des Jejunums gebildet. GIP bindet an GIP-Rezeptoren auf der Zellmembran von Betazellen des Pankreas und fördert die Freisetzung von Insulin. Zudem verhindert es die Apoptose von Betazellen und fördert deren Proliferation. Bei hohen Konzentrationen hemmt GIP die Magenmotorik und die Sekretion von Magensaft, was jedoch unter physiologischen Bedingungen keine Rolle spielt. GIP-Rezeptoren im ZNS beeinflussen das Appetit- und Sättigungsgefühl.
Auch hier sind mehrere Effekte zu beobachten, von denen die Patienten beim Abnehmen, aber auch bei der Behandlung von Diabetes profitieren können:
Die Studie von Truveta, die im Fachjournal JAMA Internal Medicine veröffentlicht wurde, untersuchte über 18.000 Erwachsene mit Übergewicht oder Fettleibigkeit, die entweder mit Semaglutid oder Tirzepatid behandelt wurden. Das Durchschnittsalter betrug 52 Jahre, das mittlere Gewicht zu Beginn der Therapie lag bei 110 Kilogramm und etwa die Hälfte der Teilnehmer litt zusätzlich an Typ-2-Diabetes.
Die Studienergebnisse zeigten deutlich, dass Tirzepatid eine höhere Ansprechrate und einen größeren Gewichtsverlust erzielt als Semaglutid:
Nach zwölf Monaten hatten Patienten, die Tirzepatid erhielten, im Durchschnitt 15,3 % ihres Ausgangsgewichts verloren, während es bei lediglich Semaglutid 8,3 % waren. Beide Medikamente hatten ähnliche Nebenwirkungsprofile, vor allem Magen-Darm-Probleme wie Übelkeit, Durchfall und Verstopfung.
Die Studie zeigt außerdem, dass übergewichtige Menschen ohne Typ-2-Diabetes im Durchschnitt mehr Gewicht verloren als solche mit dieser Diagnose. Dies könnte auf unterschiedliche Motivationen und Verhaltensänderungen zurückzuführen sein. Ein weiterer interessanter Punkt der Studie war die Häufigkeit des Absetzens – mehr als die Hälfte der einbezogenen Frauen und Männer brach die Behandlung ab. Gründe für das Absetzen könnten sowohl die unerwünschten Nebenwirkungen als auch die hohen Kosten der Therapie oder – wie hierzulande auch – Engpässe bei der Verfügbarkeit der Präparate sein. Diese hohe Abbruchrate ist bedenklich, da das Gewicht nach dem Absetzen der Medikamente wieder deutlich ansteigt.
Außerdem wurden Unterschiede bei der Gewichtsabnahme zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen und Geschlechtern beobachtet. Hier wären Langzeitstudien notwendig, um die nachhaltigen Effekte der Medikamente und ihre Sicherheit über einen längeren Zeitraum zu beurteilen.
Beide Wirkstoffe haben einige bekannte Nebenwirkungen. Semaglutid ist mit häufigen gastrointestinalen Beschwerden wie Diarrhö, Nausea, Emesis, Obstipation und Flatulenz verbunden. Weitere häufige Nebenwirkungen sind Kopfschmerzen, Schwindel, Erschöpfung, Hypoglykämie, Verschlechterung einer diabetischen Retinopathie und Alopezie. Gelegentlich oder selten können akute Pankreatitis, Angioödem, Anaphylaxie, Cholelithiasis und Nierenversagen auftreten. Gastrointestinale Nebenwirkungen können zu Flüssigkeitsverlust und Nierenfunktionsstörungen führen. Es wurden Einzelfälle von Suizidgefährdung berichtet. Studien zeigen zudem ein erhöhtes Risiko für Pankreatitis, Ileus und Gastroparese.
Die häufigsten Nebenwirkungen von Tirzepatid sind Hypoglykämie, Nausea, Diarrhö, Erbrechen, Dyspepsie und Abdominalschmerzen. Selten kann es zu einer Pankreatitis kommen.
Beide Wirkstoffe haben also primär gastrointestinale Nebenwirkungen, können aber in seltenen Fällen auch schwerwiegende gesundheitliche Probleme verursachen. In den USA wurden bereits Schadensersatzklagen gegen den Hersteller eingereicht, die sich auf die Auslösung einer Gastroparese durch Semaglutid beziehen.
Tirzepatid scheint also eine effektivere Option zur Gewichtsreduktion zu sein als Semaglutid, jedoch sind weitere Studien erforderlich, um die Langzeitauswirkungen und die Effekte auf Herz-Kreislauf-Probleme zu untersuchen. Langfristige Behandlungen und weitere Forschung sind notwendig, um die besten Strategien für die Anwendung dieser Medikamente zu entwickeln – wobei offensichtlich bekannte Vorerkrankungen wie Typ-2-Diabetes eine Rolle spielen. Der Beliebtheit der Abnehmspritzen werden solche Studien jedenfalls in die Karten spielen.
Es bleibt zu hoffen, dass sich zumindest die Verfügbarkeit der Diabetes-Präparate wieder verbessert, sobald das neue Werk von Eli Lilly in Deutschland gebaut wird (DocCheck berichtete), wo Mounjaro® produziert werden soll.
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