Anämie lässt sich oft auf einen ganz einfachen Faktor zurückführen: Eisenmangel – aber nicht immer. Die aktualisierte Leitlinie hilft jetzt bei der Diagnose.
In nicht einmal einer Woche werden aus jedem Proerythroblasten im Knochenmark 16 Erythrozyten, die dann unablässig Sauerstoff schleppend im Blut zirkulieren, bis sie nach etwa vier Monaten in der Milz wieder abgebaut werden. Bei einer Anämie ist dieses regulatorische Wunderwerk der Blutbildung gestört. Rissige Nägel, Haarausfall, abnormer Speichelfluss, Kopfschmerzen, blasse Schleimhäute sowie Appetit auf Kalk und andere merkwürdige Essgelüste können auf eine Anämie hinweisen.
Zu Blutarmut kommt es meist, wenn rote Blutkörperchen nicht ausreichend gebildet werden. In 80 % der Anämien mangelt es dafür schlicht an Eisen. Vor allem Frauen sind wegen ihres hohen Eisenbedarfs während Menstruation und Schwangerschaft sowie beim Stillen anfällig. Besonders oft trifft es außerdem Säuglinge, Kinder sowie Vegetarier und Veganer. Auch ein Mangel an Vitamin B12 und Folsäure kann ein Grund für zu wenige Erythrozyten sein. Weitere Ursachen für eine Anämie: Die roten Blutkörperchen werden zu intensiv abgebaut, gehen durch Blutungen verloren oder sammeln sich in bestimmten Körperstellen an, etwa in der Milz.
Die eben aktualisierte, mit 15 Seiten kurz und knackig gehaltene S1-Leitlinie Anämiediagnostik im Kindesalter der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie sowie der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin stellt drei Algorithmen vor, wie sich die verschiedenen Ausprägungen der Blutarmut bei Kindern vom Säugling bis zum Volljährigen richtig zuordnen lassen. Den Autoren geht es mit ihrer Diagnosehilfe darum, rasch und ohne Umwege aufs Ziel zuzusteuern, um unnötige und teure Untersuchungen zu vermeiden.
Ob überhaupt eine Anämie vorliegt und wenn ja, wie stark sie ausgeprägt ist, zeigt ein Online-Tool mit neun Laborparametern – vom Hämoglobingehalt bis zur Erythrozytenverteilungsbreite. Das in der Leitlinie verlinkte Tool zeigt je nach Geschlecht und Alter Perzentilenkurven für die einzelnen Parameter. Die Algorithmen sind keine wirklich neue Entwicklung, denn sie gehen auf Arbeiten von 1991 zurück. Die Autoren betonen, dass es bei ihren Darstellungen mehr um das „gedankliche Konzept der Maßnahmen“ geht und nicht darum, den genauen zeitlichen Ablauf vorzugeben.
Die Algorithmen behandeln folgende Ausprägungen:
Vor allem bei der akuten hämolytischen Anämie ist Gefahr im Verzug. Warnzeichen sind Kopfschmerzen, Schwindel, Synkope, Fieber, Bauchschmerzen oder Rückenschmerzen. Wiederkehrende Infektionen, Arthritis, Hautausschläge oder Schilddrüsenerkrankungen weisen eventuell auf eine Autoimmunhämolyse aufgrund einer komplexen Autoimmunerkrankung hin. Andere mögliche Ursachen für eine hämolytische Anämie sind Viruserkrankungen oder bestimmte Medikamente, auch erbliche Veranlagungen kommen in Frage.
Für die Behandlung der Anämie gilt der bestechend logische Grundsatz: Wenn die Therapie mittels Eisensubstitution die Symptome lindert, war die Diagnose Eisenmangel wohl zutreffend.
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