In der Schweiz dürfen wir Apotheker unter gewissen Umständen Medikamente verschreiben. Wie unsere Kunden das versuchen auszunutzen, lest ihr hier.
Als im Netz öffentliche Apothekerin bekomme ich gelegentlich Anfragen, ob ich nicht Medikamente verschicken kann. Meist handelt es sich dabei um missbrauchsgefährdete Medikamente wie Benzodiazepine oder Betäubungsmittel. Besonders beliebt war das nach meinem Beitrag „Live vom Drogenmilieu“ von 2012.
Aber – auch wenn ich gelegentlich scherze und mich als „legalen Drogendealer“ bezeichne – ich bleibe auf der strikt legalen Seite und beliefere niemanden ohne gültiges Rezept oder passende Ausnahmeregelung im Rahmen des Gesetzes. Das gilt auch für solche Anfragen. Das ist mit ein Grund, weshalb die Kommentare auf meinem Blog moderiert sind – und bleiben müssen.
Diese Person versucht an Pentobarbital zu kommen. Nicht nur bei mir, auch auf anderen Websiten hinterlässt sie Kommentare in diese Richtung – eigentlich schon seit 2021. Interessanterweise nicht unter dem Blogpost „(Todes)mutige Apothekerin gesucht“, bei dem ich das Thema Freitod und Pentobarbital mal aufgegriffen hatte, sondern einfach wild irgendwo drunter in den Kommentaren.
Vor ein paar Tagen hat mich dann diese E-Mail erreicht:
Hallo Pharmama,
Ich habe gehört, dass in der Schweiz junge Apothekerinnen Rezepte ausstellen können und dann Prucaloprid aus dem „Chuchichäschtli“ holen. Könntest du mir Prucaloprid verschreiben? Ich leide an chronischer Verstopfung und habe große Mengen an Gasen im Dünn- und/oder Dickdarm. Abführmittel bringen nichts, da sie den Stuhlgang nur weicher machen, aber den Darm nicht schneller arbeiten lassen. Deshalb möchte ich Prokinetika ausprobieren.
Eine Magen- und Dickdarmspiegelung hat auch nichts ergeben. Wenn ich nur Flüssignahrung wie XX oder YY zu mir nehme, bringt das auch nichts. Es hat also nichts mit Gluten zu tun. Low-FODMAP-Diäten helfen ebenfalls nicht. Betaine-HCl für mehr Magensaft und Ochsengalle für mehr Galle bringen auch nichts. Das Einzige, was geholfen hat, war die Flüssigkeit (etwa 100 g Macrogol), die man vor der Magen-Darm-Spiegelung trinkt. Danach war mein Bauch flach und ich fühlte mich sooooo viel besser.
Viele Grüße aus Deutschland
Valide Anfrage – deshalb habe ich auch darauf geantwortet:
Hallo,
Die Info ist leider inkorrekt – oder vielleicht sollte ich besser sagen ungenau. Apotheker jeden Alters haben in der Schweiz im Rahmen ihrer Kompetenz die Möglichkeit, verschiedene ursprünglich rezeptpflichtige Medikamente abzugeben. Im Rahmen der Kompetenz bedeutet hier: Es muss eine Aus- oder Weiterbildung dafür gemacht werden. Es wurden zu dieser „erleichterten Abgabe“ verschiedene Indikationen und Wirkstoffe in eine neue Liste eingeteilt (B plus). Im Magen-Darm-Bereich betrifft das Macrogol. Prucaloprid fällt da nicht darunter.
Dann dürfen wir das nur an betroffene und anwesende Patienten abgeben – nachdem wir vor Ort verschiedenes abklären konnten und das dokumentiert haben. Den Aufwand dafür lassen wir uns (analog einem Besuch beim Arzt) vergüten. Also: Nein, ich kann dir kein Prucaloprid verschreiben und das auch nicht über die Grenze senden. Eventuell wendest du dich am besten an einen Arzt vor Ort mit deiner Bitte.
Beste Grüße,Pharmama
Es gibt übrigens noch weitere Ausnahmen – oder besser gesagt Kompetenzen – der Apotheker in der Schweiz, unter denen wir rezeptpflichtige Sachen abgeben dürfen. Ich schreibe gerne demnächst mal darüber. Aber auch diese Abgaben unterstehen Vorschriften und Gesetzen. Zu sagen, wir dürften jetzt verschreiben, vereinfacht das etwas zu sehr – und weckt in manchen ein Anspruchsdenken. Nur weil wir etwas dürfen oder können, heißt nicht, dass wir das sollen oder müssen.
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