Bereits 1987 gelang einer Arbeitsgruppe der Nachweis, dass D9-Tetrahydrocannabinol (THC) eine Bindungsstelle im Gehirn haben muss.¹ Die Sequenz des menschlichen Cannabinoidrezeptors (CB¹) wurde 1990 entschlüsselt.²⁻³
Seitdem hat sich in der Erforschung des Endocannabinoidsystems (ECS) viel getan und viele Erkenntnisse wurden gewonnen. So weiß man heute, dass es insgesamt etwa 200 endocannabinoidverwandte Substanzen gibt und dass es eine zentrale Rolle in der Physiologie des Nervensystems und anderer biologischer Funktionen spielt.¹ Kommt es zu Störungen in diesem System, können die Folgen sehr vielfältig sein.
Beeinträchtigungen der Gehirnleistung, Reproduktionsstörungen bis hin zur Störung des Immunsystems könnten auf Defekte im Endocannabinoidsystem zurückgeführt werden.¹ Es gibt Hinweise darauf, dass ein Mangel an Endocannabinoiden zu Symptomen wie Migräne, Fibromyalgie und Reizdarm führen kann.¹
Die zentrale Rolle des Endocannabinoidsystem ist die, dass es die Überaktivierung von anderen Neurotransmittern drosselt. Dazu zählen z.B. Dopamin, GABA, Glutamat, Serotonin oder Glycin.¹
Diese Hemmung und die damit verbundenen Signalkaskaden werden über die Bindung von Endocannabinoiden (auch dem in z.B. Medizinalcannabis enthaltenen THC) an Cannabinoidrezeptoren gesteuert. Zwei Rezeptoren dieser Art sind bekannt.
Wie eingangs bereits erwähnt, ist der CB¹-Rezeptor schon seit 1990 bekannt.²⁻³ Drei Jahre später wurde in der Milz der CB²-Rezeptor nachgewiesen.¹ Hat man früher angenommen, dass der CB¹-Rezeptor nur im Gehirn zu finden sei, weiß man es heute besser.
So kommt er z.B. auch in endokrinen Drüsen, an Leukozyten, in der Milz, im Herz, der Haut, dem Reproduktionstrakt und mehr vor.¹ Stark vertreten ist er in den Basalganglien des Gehirns, dem Areal, welches eine wichtige Rolle in der Koordination von Bewegungsabläufen spielt und im Hippocampus, der Region in der das Kurzzeit- ins Langzeitgedächtnis überführt wird und das für die räumliche Orientierung verantwortlich ist.¹
Im Gegenzug befinden sich z.B. kaum CB¹-Rezeptoren im Hirnstamm, der Region, die lebensnotwendige Funktionen steuert: etwa die Atmung.¹
CB²-Rezeptoren finden sich vor allem auf Immunzellen wieder und im Gehirn, etwa auf Mikroglia.
Endocannabinoide werden in den postsynaptischen Nervenzellen gebildet, was sie von anderen Neurotransmittern unterscheidet. Sie werden kontinuierlich produziert und nicht, wie andere Neurotransmitter in Vesikeln gelagert, bis sie benötigt werden. Bei Bedarf werden sie in den synaptischen Spalt ausgeschüttet, wo sie an der Präsynapse binden und retrograd die Aktivität von Neurotransmittern herunterregulieren.¹ Endocannabinoide, etwa das Anandamid, können auch andere Rezeptoren binden und sind nicht spezifisch nur in der Lage an CB-Rezeptoren zu binden.
Im zentralen Nervensystem reguliert das Endocannabinoidsystem auf diese Weise Ängste, Depressionen, die kognitive Leistungsfähigkeit und die Lernfähigkeit.⁴ So kann das ECS etwa dabei helfen, Menschen mit posttraumatischer Belastungsstörung negative Erinnerungen aus dem Gedächtnis zu löschen.¹⁺⁴
Im Mausmodell wurde zusätzlich gezeigt, dass im Alter das Vorhandensein von CB¹-Rezeptoren dazu beiträgt, dass alterungsbedingte Defizite der Kognition reduziert werden können, da Mäuse -denen der CB¹-Rezeptor fehlte- schneller alterungsbedingte Defizite im Gehirn zeigten.¹
Im Herz scheinen die beiden CB-Rezeptoren gegensätzliche Effekte zu haben. So scheint die Aktivierung des CB¹-Rezeptors sich negativ auf Schädigungen am Herzen auszuwirken (etwa eine Verschlechterung von Atherosklerose), während der CB²-Rezeptor und dessen Aktivierung eher positive Effekte hat.¹
In der Muskulatur sind Endocannabinoide daran beteiligt, den Energiestoffwechsel zu regulieren und den Aufbau von Muskulatur zu steuern. Hier scheint die Aktivität des ECS eher negative Effekte, etwa eine Vermehrung von Fettsäurebildung und Hemmung des Muskelaufbaus, zu haben.¹ Im Gegenzug spielt der CB²-Rezeptor im Knochen eine wichtige Rolle im Aufbau von Osteoblasten. Im Mausmodell zeigte sich, dass ein CB²-Rezeptormangel in verringerter Knochendichte und vermehrtem Knochenumbau resultierte.¹
Ein weiteres Beispiel für die positive Wirkungsweise des ECS im Körper ist die Hemmung von Keratozytenbildung in der Haut, was zu einer Reduktion von Neurodermitis und Schuppenflechte führen kann.¹
Im Immunsystem sind sie vor allem an der Kommunikation zwischen verschiedenen Immunzellen beteiligt. Hier hemmen CB²-Rezeptoren und deren Aktivierung z.B. die Freisetzung von proinflammatorischen Zytokinen.⁴ Dadurch kann die Immunantwort reguliert werden. Interessanterweise zeigte sich in Versuchen an Nagetieren, dass entzündliche Veränderungen durch proinflammatorische Zytokine im Gegenzug die Expression von CB²-Rezeptoren begünstigen.⁵
Das Endocannabinoidsystem ist an einer Vielzahl von Prozessen im Organismus beteiligt und in allen Wirbeltieren, einschließlich des Menschen, vertreten. Medizinalcannabis und seine Bestandteile, vor allem das THC und CBD, wirken auf das endogene Cannabinoidsystem und können so etwa bei Endocannabinoidmangel die körpereigenen Reserven unterstützen und die wichtigen Funktionen aufrechterhalten.¹
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