Jeder 5. Erwachsene leidet im Laufe seines Lebens an Depression – viele sind behandlungsresistent. Jetzt gibt es eine neue Hoffnung, wie die Therapie-Odyssee in Zukunft vermieden werden kann.
Für Eilige gibt’s am Ende des Artikels eine Zusammenfassung
Depression ist eine der häufigsten Krankheitsbilder weltweit – und wird dabei genauso häufig unterschätzt. Allein in Deutschland erkranken ca. 6 Millionen Menschen im Laufe eines Jahres an einer unipolaren oder anhaltenden depressiven Störung. Unterschiedlichen Studien zufolge ist jeder 5. bis 6. Erwachsene im Laufe seines Lebens von Depression betroffen. Frauen sind dabei ungefähr doppelt so oft betroffen wie Männer.
Ein großes Problem bei der Behandlung von Depression ist ihre Vielseitigkeit. Etwa 30 % der Betroffenen gilt als behandlungsresistent, zwei von drei Pateinten werden trotz Behandlung ihre Symptome nicht vollständig wieder los. Behandlungsoptionen, die für einen Patienten super funktionieren, zeigen oft bei einem anderen Patienten gar keine Wirkung. Es braucht also unbedingt neue Ansätze, wie man depressive Patienten gezielt behandeln kann. Dafür muss man aber herausfinden, auf welche Behandlung die Patienten am wahrscheinlichsten ansprechen.
Forscher haben deshalb versucht, depressive Patienten besser zu differenzieren – und konnten dabei 6 biologische Subtypen identifizieren. „Das derzeitige psychiatrische Diagnosesystem packt ein einziges Label auf viele Syndrome, bei denen viele unterschiedliche neurobiologische Prozesse gestört sein können. Diese bräuchten allerdings je eine spezifische Behandlung“, so die Studienautoren.
Um unterschiedliche Depressionstypen zu differenzieren, untersuchten die Forscher 801 Patienten, die an Depression oder Angstzuständen litten und 137 gesunde Kontrollpatienten. Mittels MRT wurde die Gehinaktivität in Ruhe und während unterschiedlicher Aktivitäten gemessen. Durch eine Clusteranalyse konnten die Wissenschaftler unterschiedliche Aktivitätsmuster in den untersuchten Hirnregionen feststellen und daraus sechs Biotypen herausarbeiten. Unter anderem untersuchten die Wissenschaftler, ob die Probanden unter unterschiedlich schweren Symptomen leiden, anders bei emotionalen und kognitiven Tests abschneiden und – ganz besonders relevant – ob sie unterschiedlich auf die angebotenen Behandlungen ansprechen.
Um letzteres zu erheben, wurden die Probanden randomisiert einer Behandlung mit einem gängigen Antidepressivum (Escitalopram, Sertralin oder Venlafaxin) oder einer Gesprächstherapie zugeordnet. Und tatsächlich: Je nach Biotyp sprachen die Probanden auf andere Therapien besser an.
„Um eine präzisere Diagnose und die Auswahl der besten Behandlung für jeden Einzelnen zu ermöglichen, müssen wir die Heterogenität von Depression und Angstzuständen aufschlüsseln“, so die Studienautoren. „Der in der Psychiatrie vorherrschende Einheitsdiagnose-Ansatz führt dazu, dass die Behandlungsoptionen nach dem Prinzip ‚Versuch und Irrtum‘ durchgespielt werden. Das ist langwierig, teuer und frustrierend, denn 30–40 % der Patienten erreichen nach dem Versuch einer Behandlung keine Remission.“
Die Autoren weisen allerdings auch auf ein paar Restriktionen ihrer Studie hin. Da die Stichprobe Patienten mit Komorbiditäten einschließt, die sonst häufig ausgeschlossen werden, könnten weitere Subtypen existieren, die bisher nicht erkannt wurden. Außerdem könnten die Biotypen zumindest teilweise durch demografische Unterschiede zwischen den Datensätzen bedingt sein. „Es wäre zum Beispiel nicht überraschend, wenn bestimmte Altersgruppen eher zu Biotypen gehören, die durch spezifische Hirn- und klinische Funktionsstörungen gekennzeichnet sind, da psychiatrische Symptome, Behandlungsreaktionen und die Hirnbiologie mit dem Alter variieren“, so die Studienautoren.
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