Im ersten Jahr nach einem überstandenen Myokardinfarkt sterben Frauen signifikant häufiger als Männer. Dabei könnten beispielweise psychische Faktoren eine Rolle spielen. Kardiologen fordern deshalb, weibliche Patienten engmaschiger zu überwachen.
Mit 365,2 Fällen auf 100.000 Einwohner ist die Zahl an Herzinfarkten bei Männern doppelt so groß wie bei Frauen (185,8 pro 100.000). Patientinnen sterben auch seltener am akuten Infarkt, verglichen mit Patienten. Hier liegt der Unterschied bei 55,9 versus 73,3 pro 100.000 Personen. Diese Anfang 2016 von der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) vorgestellten Zahlen zeigen bekannte Trends. Eine neue Publikation liefert aber überraschende Ergebnisse: Innerhalb von 365 Tagen nach einem Infarkt ist die Mortalität bei Frauen größer als bei Männern.
Grundlage der Arbeit waren Daten von 4.100 Teilnehmern aus den beiden Studien ISAR-RISK und ART. Alle Probanden wurden zwischen 1996 und 2005 rekrutiert. Sie hatten vier Wochen vor der Aufnahme einen akuten Herzinfarkt erlitten. Von 3.840 Überlebenden waren 994 (25,9 Prozent) Frauen und 2.846 (74,1 Prozent) Männer. Weibliche Patienten waren im Schnitt älter. Sie litten häufiger an Begleiterkrankungen wie Bluthochdruck und Diabetes mellitus. „Wir wollten herausfinden, ob die Gefahr, nach einem Herzinfarkt zu sterben, für Frauen auch dann größer ist, wenn man solche Faktoren herausrechnet“, sagt Erstautorin Dr. Romy Ubrich von der Technischen Universität München (TUM). „Überrascht haben uns die Daten für die ersten 365 Tage nach dem Infarkt: In diesem Zeitraum starben Frauen mehr als anderthalb Mal so häufig wie Männer.“
Wie es zu diesem Effekt kommt, lässt sich auf Basis von Kohortendaten nicht erklären. Coautor Professor Dr. Georg Schmidt vom TUM-Universitätsklinikum rechts der Isar spekuliert, gesellschaftliche und psychische Gründe könnten eine wichtige Rolle spielen: „Im Alltag werden nach einem Herzinfarkt oft andere Anforderungen an Frauen gestellt, als an Männer. Sie sollen schneller wieder ‚funktionieren‘ und sind dadurch größeren Belastungen ausgesetzt.“ Psychosoziale Faktoren wurden im Rahmen der Studie jedoch nicht erfasst, sodass sich derzeit keine weiteren Aussagen treffen lassen.
Trotz aller Unsicherheiten bleiben einige Empfehlungen für die Praxis: