Typ-1- und Typ-2-Diabetes kennt jeder – die Erkrankung ist aber vielfältiger, als man meint. Erkennst du die Subtypen im Praxisalltag und weißt, wie man sie behandelt?
Für Eilige gibt’s am Ende des Artikels eine kurze Zusammenfassung.
Eine kurze Zeitreise: Im Jahr 1921 haben Frederick Banting und Charles Best erstmals Insulin isoliert und seine Bedeutung erkannt. Auf Solomon Berson und Rosalyn Yalow geht die Unterscheidung in absoluten Insulinmangel und Insulinresistenz ab 1959 zurück. Weitere Meilensteine waren die Einführung von Glucagon (1961), die erste – noch Rucksack-große – Pumpe mit Insulin und Glucagon (1963), die Entwicklung von HbA1C-Tests (ab 1976), biotechnologisch synthetisiertes Insulin (ab 1978), Insulin-Pens (ab 1986), externe Insulinpumpen (ab 1990), Metformin (ab 1995), GLP-1-Rezeptoragonisten und DPP-4-Inhibitoren (ab den 2000er-Jahren), SGLT-2-Inhibitoren (ab 2014) und hybride Closed-Loop-Systeme (ab 2020).
Doch die Entwicklung geht weiter. Wie in anderen Fachrichtungen, beispielsweise in der Onkologie, schon länger üblich, lassen sich Menschen anhand von Biomarkern oder klinischen Daten in Gruppen mit unterschiedlichem Risiko einteilen. Personalisierte, individualisierte Ansätze halten auch in der Diabetologie Einzug.
Mehrere Studien mit großen Kohorten (u.a. hier, hier und hier) zeigen nämlich, dass die Krankheitsbilder nicht so homogen sind wie lange Zeit angenommen. Aus ihren Daten leiten die Forscher fünf Diabetes-Subtypen ab, die sich deutlich voneinander unterscheiden:
Subtypen des Diabetes und mögliche Therapien. Grafik: Prof. Andreas Fritsche, Universitätsklinik Tübingen, online
Die Liste mutet reichlich akademisch an. Deshalb hat das Deutsche Diabetes-Zentrum in Düsseldorf ein Online-Tool entwickelt, um die Einteilung in Subtypen zu vereinfachen. Ärzte benötigen Informationen zu Glutamatdecarboxylase-Antikörpern im Blut ihrer Patienten, zum Alter, zum Geschlecht, zum Body Mass Index (BMI), zum Nüchtern-Blutzucker, zum C-Peptid-Wert und zum HbA1C-Wert. Die meisten Parameter werden ohnehin als Teil der Routinediagnostik erhoben.
Aber Achtung – das Tool dient offiziell noch zu Forschungszwecken. Doch der Weg geht klar in Richtung personalisierter, individualisierter Ansätze.
Der Ansatz, Personen weiter nach ihrem Risiko zu klassifizieren, lässt sich ebenfalls auf Prädiabetes übertragen (u. a. hier und hier). Wie rasch sich aus einem Prädiabetes ein manifester Diabetes entwickelt und welches Risiko für Folgeerkrankungen besteht, unterscheidet sich von Person zu Person erheblich:
Auch hier hilft ein Online-Tool Ärzten, Patienten anhand von BMI, Nüchtern-Blutzucker, HbA1C, HDL, Triglyceriden und Insulin-Werten einem der Cluster zuzuordnen – derzeit noch zu Forschungszwecken.
Doch der Nutzen liegt auf der Hand. So zeigt etwa eine Studie, dass Personen mit Prädiabetes und mit höherem Progressionsrisiko von einer intensivierten Lebensstil-Intervention profitieren, um ihre glykämischen Parameter zu normalisieren und um das Risiko kardiometabolischer Ereignisse zu verringern: ein weiterer Schritt hin zur individualisierten Prävention.
Kurze Zusammenfassung für Eilige:
Personalisierte Ansätze in der Diabetologie: Die Forschung entwickelt sich hin zu personalisierten, individualisierten Ansätzen, um Therapie und Prävention zu optimieren, basierend auf der Einteilung von Diabetes in verschiedene Subtypen und dem Einsatz von Biomarkern.
Neue Subtypen des Diabetes: Anhand großer Kohortenstudien wurden fünf Diabetes-Subtypen identifiziert, die sich in ihren Charakteristika und Risiken deutlich unterscheiden, was spezifische Therapien für jeden Subtyp ermöglicht.
Klassifizierung von Prädiabetes: Auch bei Prädiabetes gibt es verschiedene Cluster mit unterschiedlichem Risiko für die Entwicklung von Diabetes und Folgeerkrankungen, was den Weg für eine individualisierte Prävention ebnet.
Quellen:
Ahlqvist, Emma et al. Novel subgroups of adult-onset diabetes and their association with outcomes: a data-driven cluster analysis of six variables. The Lancet Diabetes & Endocrinology, 2018. doi: 10.1016/S2213-8587(18)30051-2
Zaharia et al. Risk of diabetes-associated diseases in subgroups of patients with recent-onset diabetes: a 5-year follow-up study. Lancet Diabetes & Endocrinology, 2019. doi: 10.1016/S2213-8587(19)30187-1
Slieker et al. Replication and cross-validation of type 2 diabetes subtypes based on clinical variables: an IMI-RHAPSODY study. Diabetologia, 2021. doi: 10.1007/s00125-021-05490-8
Wagner et al. Pathophysiology-based subphenotyping of individuals at elevated risk for type 2 diabetes. Nat Me, 2021. doi: 10.1038/s41591-020-1116-9
Schlesinger et al. Prediabetes and risk of mortality, diabetes-related complications and comorbidities: umbrella review of meta-analyses of prospective studies. Diabetologia, 2022. doi: 10.1007/s00125-021-05592-3
Bildquelle: erstellt mit Midjourney