Nur 1 % der Arztpraxen arbeiten aktuell mit der ePA – dabei ist das ab nächstem Jahr Pflicht. Wie es um Digital-Nachzügler Deutschland wirklich steht, zeigt der aktuelle TI-Atlas.
Während in anderen Ländern schon in den späten 2000ern voll digitalisierte Krankenhäuser die Versorgung steuerten und mit Wissenschaft und öffentlichem Gesundheitswesen vernetzt waren, sind in Deutschland, Stand Juli 2024, volle 68 % der Kliniken mit stabil laufenden TI-Anwendungen gesegnet. Was überschaubar klingt, ist jedoch ein Sprung um 15 % gegenüber dem Vorjahr. Noch besser – in Sachen Steigerungsrate – stehen die Arztpraxen da. Von 43 % in 2023 sind es nun 63, die von generell zuverlässigen funktionierenden TI-Anwendungen sprechen. Die Goldmedaille geht jedoch an die Zahnärzte mit nun 75% gegenüber 53 % an stabiler Telematikinfrastruktur.
Der Kassenschlager unter den Anwendungen laut aktuellem TI-Atlas: Das E-Mail-System KIM (Kommunikation im Medizinwesen), den 81 % der Zahnarztpraxen und 82 % der Arztpraxen nutzen. Auf den Geschmack gekommen sind in diesem Jahr auch 50 % der Krankenhäuser (gegenüber 3 % im Vorjahr). Mit 2 % der Apotheker und 7 % der psych. Praxen gibt es allerdings weiterhin Nachholbedarf.
6 Monate E-Rezept. Auch über das Küken unter den Anwendungen gibt der TI-Atlas Aufschluss. So kommt die elektronische Anwendung auf 244 Millionen ausgestellte elektronische Rezepte. Im Schnitt sind das 1,3 Millionen Rezepte pro Tag. Spitzentage bringen es jedoch auch auf 2,4 Millionen Verordnungen – das sind 1.666 Verordnungen pro Minute.
Insgesamt vergaben 85.699 medizinische Einrichtungen E-Rezepte, 17.379 Apotheken lösten diese ein. Am beliebtesten unter den Einlösemöglichkeiten: Die eGK, mit der 80 bis 90 % der Versicherten ihr Medikament abholten. Mit 10 bis 20 % an Papierausdrucken gegenüber ca. 1 % E-Rezept-App finden sich aber auch noch eine Reihe Traditionalisten. Einen großen Zusatzeffekt wird das E-Rezept im kommenden Jahr haben, wenn es als Grundlage der Medikationsliste in der elektronischen Patientenakte (ePA) implementiert wird. Patienten wie Ärzte haben dann einen besseren Gesamtüberblick und können mögliche Wechselwirkungen frühzeitig einschätzen.
Auch anderen Funktionen gegenüber sind die Ärzte – egal ob in Kliniken oder Praxen – aufgeschlossen. Sowohl die Nutzung von eArztbriefen sei eine positive und hilfreiche Sache als auch die Ausstellung elektronischer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, die gern (84 %) genutzt werde.
Auf der anderen Seite der Erfolgsskala hat sich derweil die ePA häuslich eingerichtet. Weiterhin nutzen nur 2 % der Kliniken, 1 % der Arztpraxen, 0 % der Apotheken und 4 % der Zahnärzte die elektronische Patientenakte. Die anvisierte Starthilfe steht jedoch bereit und heißt: Opt-Out-Lösung.
Kliniken und Niedergelassene teilen indes die gleichen Hoffnungen, die mit digitalen oder elektronischen Anwendungen einhergehen: Eine starke Entbürokratisierung und damit eine Entlastung des Personals sowie letztlich kürzere und weniger Arbeitswege. Weiteres Ergebnis des TI-Atlas: Der Mensch (aus dem Gesundheitswesen) funktioniert auch in Sache Digitalisierung als Herdentier. Denn je mehr Leistungsanbieter die Anwendungen nutzen, desto sicherer, aufgeschlossen und gewillter sind die Einzelnen, daran teilzuhaben.
Die Bilanz-Waage neigt sich letztlich in Richtung Optimismus: Zwar bleibt eine Menge Potenzial, das noch gehoben werden kann und eben soviel Überzeugungsarbeit, die bei bestimmten Akteuren des Gesundheitswesens geleistet werden muss – insbesondere vor der Sorge, dass notwendige Investitionskosten und Prozessumstellungen das Fass zum überlaufen bringen könnten. Doch auf der Habenseite stehen stark steigende Nutzerzahlen, zunehmende Zufriedenheit und sich langsam erfüllende Hoffnungen auf bessere, schnellere Strukturen.
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