Erektionsprobleme sind ein großes Thema für Männer. Aber selten beschwert sich jemand darüber, zu lange durchzuhalten. Doch auch das kann zum Problem werden.
Potenzprobleme bei Männern sind immer noch ein Tabuthema. Erektile Dysfunktionen gehören hierbei wohl zu den bekanntesten Störungen. Was ist aber, wenn Mann zwar eine Erektion bekommt, das Problem aber beim Orgasmus liegt?
Laut einer Veröffentlichung deutscher Wissenschaftler aus 2020 leidet etwa jeder dritte Mann unter mindestens einem sexuellen Problem. Die Hemmschwelle, Hilfe zu suchen, ist bei solch intimen Schwierigkeiten natürlich besonders hoch. Vor allem dann, wenn das Anliegen, das den Patienten ins Ärztezimmer verschlägt ein „Herr Doktor, meine Ausdauer beim Sex ist einfach zu groß“ ist. Doch ein verzögerter oder gar ausbleibender Orgasmus kann für Betroffene sehr belastend sein.
Bestehen Schwierigkeiten mit dem Orgasmus spricht man von einer Orgasmusstörung. Darunter fallen beim Mann drei verschiedene Arten, von denen jedoch meist nur eine größere Aufmerksamkeit bekommt: der vorzeitiger Samenerguss. Allerdings gibt es noch zwei weitere Arten, die allgemein weniger Beachtung finden. Diese sind zum einen der gehemmte Samenerguss (Ejaculatio retarda) oder auch gehemmter Orgasmus (Delayed Orgasm, DO) und das Unvermögen zum Samenerguss (Ejaculatio deficiens) bzw. die Anorgasmie (AO). Eine Gruppe von amerikanischen Wissenschaftlern hat sich jetzt näher mit diesen beiden Formen von Orgasmusstörungen beschäftigt und aktuelle Erkenntnisse in einem Review zusammengetragen.
Schon gewusst? Ejakulation und Orgasmus werden häufig synonym füreinander verwendet, jedoch handelt es sich hierbei eigentlich um zwei verschiedene Paar Schuhe, wobei die Ejakulation den Fluss der Samenflüssigkeit sowie die antegrade Ejakulation beschreibt. Der männliche Orgasmus entsteht sekundär zum Druckaufbau in der Urethra durch Kontraktion der periurethralen Muskulatur. Zwar ist eine Ejakulation ohne Orgasmus möglich, kommt jedoch sehr selten vor. Daher werden auch in der Fachliteratur beide Begriffe synonym füreinander verwendet. Die Autoren des Reviews verwenden die Begriffe Delayed Orgasm und Anorgasmie.
Wie wenig wir bisher über den gehemmten Orgasmus wissen, zeigt auch, dass es bisher keine standardisierte Definition für DO gibt. Generell gilt aber, dass der Orgasmus einige Zeit auf sich warten lässt. Das kann sowohl bei der Masturbation als auch beim penetrativen Sex der Fall sein oder etwa situativ auftreten. Ein Maß zur Einordnung und Diagnostik ist die intravaginal ejaculation latency time (IELT), also die Dauer bis zum Orgasmus von Beginn der Penetration. In einer früheren Studie wurde unter 500 Studienteilnehmern ein Median der IELT von etwa 5,4 Minuten ermittelt und der Wert für DO zwischen 20 und 25 Minuten. Doch auch dieser Wert ist eher ein möglicher Richtwert als eine klare Definition. Ein Orgasmus, der erst nach 20 oder 25 Minuten auftritt, muss nicht gleich problematisch sein, außer es ist ein Leidensdruck damit verbunden.
Die Definition von Anorgasmie ist hingegen etwas einfacher: Es handelt sich hierbei um das Ausbleiben des Orgasmus. Die Autoren des Reviews betonen jedoch, dass dies verschiedene Ursachen haben kann und nicht etwa nur auf mangelnde Lust oder sexuelle Stimulierung zurückzuführen ist. In der Regel haben Betroffene keine Probleme mit dem Erlangen einer Erektion, den Höhepunkt zu erreichen kann jedoch zum Ding der Unmöglichkeit werden. Auch die Anorgasmie kann in verschiedenem Ausmaß auftreten, wie etwa situativ, nur mit gewissen Partnern oder aber persistierend und auch während der Masturbation.
Obwohl oft in Popkultur und Gesellschaft als recht rudimentär und einfachgestrickt dargestellt, ist die männliche Sexualität äußerst komplex. Bereits die Entstehung einer Erektion ist nicht nur ein Zusammenspiel aus Lust und Stimulation, sondern vielmehr auch aus psychosozialen, neurogenen, vaskulären und endokrinen Faktoren. All das beeinflusst auch die Ejakulation und den Orgasmus des Mannes.
Daher kann die Ursachenfindung bei einer Orgasmusstörung ein aufwendiges Unterfangen sein – idealerweise sollte das Problem daher multidisziplinär angegangen werden. Nicht immer liegen nämlich körperliche Ursachen zugrunde.
Ebenso wie es keine einheitlichen Definitionen gibt, fehlt es auch an einheitlichen Behandlungsempfehlungen. Hier sind euer Fingerspitzengefühl und feinste Detektivarbeit gefragt, denn Ursachen gibt es etliche, ebenso wie Ansätze, die Betroffenen helfen können, wieder Herr über ihren Orgasmus zu werden.
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