Jeder Organismus hat ein Ziel: überleben. Dafür arbeiten seine Körperzellen zusammen, was eine aufeinander abgestimmte Kommunikation ermöglicht. Forschern gelang es nun, die Gesetzmäßigkeiten zu zeigen, nach denen Zellen Signale aus ihrer Umgebung in interne Signale umwandeln.
Wie in einem Symphonieorchester der einzelne Ton, hat in der Zelle das einzelne Signal dabei eine untergeordnete Bedeutung. „Wichtig ist die relative Variation von Intensität und Frequenz, mit denen die Signale von der Zellmembran in das Zellinnere gegeben werden“, sagt Dr. Alexander Skupin, am LCSB (Luxembourg Centre for Systems Biomedicine) der Universität Luxemburg federführend bei den Untersuchungen. Die Instrumente im Orchester erzeugen Signale – also Töne –, indem sie Luft in Schwingung versetzen. In der Zelle übernehmen Kalziumionen die Funktion des Signals. Trifft eine Information aus der Umgebung – etwa ein biologischer Botenstoff – auf die Außenhülle der Zelle, werden Kalziumionen im Zellinneren freigesetzt. Dort steuern sie viele verschiedene Anpassungsprozesse. „Die Ionenschübe unterliegen auf den ersten Blick keinem einfachen Muster“, erklärt Skupin: „Trotzdem kommt es im Zellinneren zu einer sinnvollen Reaktion, etwa der Aktivierung eines bestimmten Gens.“ Um den dahinter liegenden Gesetzmäßigkeiten auf die Spur zu kommen, untersuchten die Forscher menschliche Nierenzellen und Leberzellen aus der Ratte mit einer Kombination aus Imaging-Technologien und mathematischen Methoden. Dabei stellten sie fest, dass Intensität und Frequenz der Kalziumschübe einer großen Variationsbreite unterliegen – sowohl innerhalb einer Zelle als auch von Zelle zu Zelle: Aus der Analyse einzelner Signale lässt sich deshalb nicht ablesen, welche Information sie transportieren. „Das ist wie beim Orchester, bei dem der Einzelton für sich betrachtet keine Rückschlüsse auf die Melodie zulässt“, führt Skupin den musikalischen Vergleich fort: „Man muss hören, wie sich die Frequenz und Lautstärke aller Instrumente verändern und die Melodie ergeben. Dann bekommt man einen Eindruck vom Musikstück.“
Genau solch einen Gesamteindruck haben die Forscher nun erstmals möglich gemacht, als sie die Kommunikation der Zellen abhörten: Sie stellten fest, dass sich die vielen unterschiedlichen Kalziumstöße relativ zueinander in einem bestimmten Verhältnis verändern. Ein Stimulus von außen führt nicht zu einer absoluten Zunahme der Kalziumstöße, sondern zu einer Änderung der Häufigkeit oder Frequenz, mit der sie auftreten – im Konzertsaal würden die Töne der Instrumente passend zueinander höher. „Dieses Muster ist das eigentliche Signal, das zu einer Reaktion der Zellen führt“, so Skupin: „Mit unseren Analysen haben wir es interpretierbar gemacht.“ „Die Ergebnisse haben große Bedeutung für die Analyse von Krankheiten“, sagt der Direktor des LCSB, Prof. Dr. Rudi Balling: „Wir wissen, dass in Parkinson das Gleichgewicht von Kalzium in den Nervenzellen gestört ist und vermuten, dass bei der Entstehung neurodegenerativer Erkrankungen fehlgeleitete Kommunikation zwischen den Zellen eine Rolle spielen kann. Mit der Aufdeckung der fundamentalen Gesetzmäßigkeiten dieser Kommunikation, wie sie jetzt Alexander Skupin, seinem Team und unseren Kooperationspartnern gelungen ist, können wir einen wichtigen Schritt bei der Analyse von Parkinson vorankommen.“ Originalpublikation: Reliable Encoding of Stimulus Intensities Within Random Sequences of Intracellular Ca2+ Spikes Alexander Skupin et al.; Science Signaling, doi: 10.1126/scisignal.2005237; 2014