Viele Apotheken stehen mit dem Rücken an der Wand – und Lauterbachs Reformpläne machen es nicht besser. In Hessen schlossen deshalb fast alle Apotheken für einen zweitägigen Streik. Hat es was gebracht?
Die Situation der Apotheken vor Ort ist besorgniserregend: Unangepasste Bezahlung, Personalmangel und eine überbordende Bürokratie setzen den Betrieben massiv zu. Diese Probleme werden durch die Reformpläne von Gesundheitsminister Karl Lauterbach noch verschärft. Der Hessische Apothekerverband (HAV) hat seine Mitglieder daher vergangene Woche zu einem zweitägigen Streik aufgerufen, um gegen das geplante Apotheken-Reformgesetz (ApoRG) zu protestieren.
Erstmals schlossen die Apotheken nicht an einem Mittwochnachmittag, sondern – bis auf die notdiensthabenden Apotheken – donnerstags und freitags. Hat es etwas bewegt?
Die drängendsten Probleme der Apotheken bleiben seit Jahren dieselben, nämlich:
Die Reformpläne sehen auf der finanziellen Seite Änderungen vor, die die Existenz vieler Apotheken schlichtweg nicht mehr retten werden. Eine moderate Erhöhung der Vergütung ab 2027 kommt zu spät und ist einfach zu wenig, für deutlich über ein Jahrzehnt Arbeit ohne jegliche Anpassung der Honorare trotz steigender Inflation und erhöhten Personalkosten.
Zudem stören sich viele Apotheker an der Idee, dass erfahrene PTA ohne apothekerliche Aufsicht in einer Filialapotheke arbeiten und sie sogar leiten dürfen, wenn der Inhaber wenigstens 8 Stunden wöchentlich selbst anwesend ist und telepharmazeutisch erreichbar bleibt. Der HAV hat daher beschlossen, ein starkes Zeichen zu setzen und die Apotheken am 27. und 28. Juni zu schließen. Dieser Protest soll auf die Dringlichkeit der Probleme hinweisen und die Politik zum Umdenken bewegen. Die ABDA hatte indes zur Zurückhaltung zum derzeitigen Zeitpunkt aufgerufen, weil sie die „schweren Geschütze” erst im Herbst auffahren wollte, falls die bis dahin durchgeführten Gespräche mit der Politik ins Leere laufen sollten.
Vorausgegangen war dem Streik der hessischen Apotheken ein Brandbrief des Hessischen Apothekerverbands (HAV) und des Thüringer Apothekerverbands (THAV), der die ABDA aufforderte, sofort Protestmaßnahmen vorzubereiten. In diesem Brief, datiert auf den 24. Mai, betonten die Vorsitzenden Holger Seyfarth und Stefan Fink die Notwendigkeit, entschlossen gegen die Reformpläne vorzugehen. Sie forderten die Herstellung von „Augenhöhe“ mit dem Bundesgesundheitsministerium (BMG), sobald der Referentenentwurf veröffentlicht wird. Angesichts dieser Bedrohung forderten Seyfarth und Fink unter anderem mehrtägige Apothekenschließungen, welche durch die ABDA eingeleitet werden sollten.
Holger Seyfarth, der Vorsitzende des Hessischen Apothekerverbandes bezeichnete den Referentenentwurf zudem als „Generalangriff auf unseren gesamten Berufsstand, unsere pharmazeutische Kompetenz und die wohnortnahe Arzneimittelversorgung durch die Apotheken vor Ort” und rief zum Streik auf. Die Landesapothekerkammer hatte die Schließung der Apotheken genehmigt, solange die Versorgung der Bevölkerung wie im Notdienst gewährleistet bleibt. Dies basiert auf der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die besagt, dass Demonstrationen erlaubt sind, wenn sie das Recht Dritter nicht unverhältnismäßig beeinträchtigen.
Am 27. und 28. Juni blieben also zahlreiche Apotheken in Hessen geschlossen. Viele Apothekenteams versammelten sich zudem trotz schwieriger Wetterbedingungen auf dem Opernplatz in Frankfurt, um gegen die Reformpläne zu protestieren und Unterstützung von der Landespolitik zu erhalten. Dort kamen laut des Apothekerverbandes rund 1.000 Menschen zusammen, wobei sich hier Teams aus Rheinland-Pfalz und Thüringen solidarisch zeigten und extra dafür anreisten. Der Apothekerverband teilte inzwischen mit, dass 90 Prozent der 1.320 hessischen Apotheken am Donnerstag geschlossen blieben. Somit hat er eine sehr große Mehrheit an der Basis, der den aktuellen harten Kurs mitgeht, auch wenn das schmerzhafte finanzielle Einbußen mit sich bringt.
Angesichts der gravierenden Probleme der Apotheke vor Ort erscheint der Streik als notwendiges Mittel, um auf die prekäre Lage der Apotheken aufmerksam zu machen. Dieser Protest signalisiert der Politik und der Öffentlichkeit die Dringlichkeit der Situation und könnte vielleicht dazu beitragen, die Reformpläne zu überdenken. Ein Streik im Herbst ist vielleicht zu spät, um deutlich zu machen, wie viele Apotheken bereits mit dem Rücken zur Wand stehen. Es bleibt zu hoffen, dass diese Maßnahmen den nötigen Druck erzeugen, um eine positive Veränderung herbeizuführen. Die derzeitige Situation zeigt, dass die Apotheken dringend Unterstützung benötigen.
Streiks mögen gerade in der Gesundheitspolitik nicht das ideale Mittel sein, da sie selbstverständlich auch die Patienten treffen, aber in der aktuellen Lage sind sie ein starkes Zeichen des Widerstands und der Entschlossenheit, die Zukunft der Apotheken zu sichern.
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