KOMMENTAR | In der Urlaubszeit kommt es notorisch zu Engpässen bei Blutkonserven – nutzlose Aufrufe an die nicht spendenwillige Bevölkerung inklusive. Liebes DRK, wann ändert ihr endlich eure Strategie?
Die Blutkonserven gehen in der Urlaubszeit regelmäßig zu neige. „Wir steuern da wirklich auf einen kritischen Punkt zu“, hat Patric Nohe vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) bereits 2023 gewarnt. Dieses Jahr wird es kaum besser aussehen. In den Sommermonaten sind weniger Spender vor Ort. Auch macht der demografische Wandel Blutbanken zu schaffen. Manche Blutspendedienste schließen Senioren aus. Bei einem geschätzten Bedarf von 15.000 Blutkonserven pro Tag wird die Sache schnell eng. Und: Innerhalb von zwölf Monaten dürfen Frauen höchstens vier Mal und Männer höchstens sechs Mal Blut spenden.
Auf die Forschung, Stichwort Blut aus der Retorte, brauchen Ärzte nicht kurzfristig zu hoffen – etliche Seifenblasen sind knallend zerplatzt. Die bisherigen Ansätze, Erythrozyten und Thrombozyten im Labor zu entwickeln, waren nur mäßig erfolgreich. Auch Perfluorkohlenwasserstoffe als Blutersatz haben in Tests enttäuscht. Damit ist klar: Kurzfristig führt kein Weg an Blutspenden vorbei.
Unkonventionelle Lösungen sind deshalb wichtiger denn je. Doch davor scheinen sich Verantwortliche zu scheuen. Vielmehr wiederholen sie gebetsmühlenartig zum Welt-Blutspendetag ihr Wehklagen über die mangelnde Bereitschaft der Bevölkerung, anderen Menschen zu helfen.
Beginnen wir mit dem Deutschen Roten Kreuz (DRK). Es deckt mehr als 75 % des bundesweiten Blutbedarfs ab. Blutspender bekommen kein Geld, sondern nur Aufmerksamkeiten, sprich Getränke, Lebensmittel oder sonstige Geschenke ohne großen Wert, aufgrund ethischer Richtlinien. Warum eigentlich?
Einige der vermeintlichen Argumente, die seit Jahren immer wieder zu hören sind: Blutspenden sollen auf freiwilliger Basis und aus altruistischen Motiven erfolgen. Die Idee dahinter ist, dass Menschen nicht aus finanziellen Anreizen, sondern aus dem Wunsch, anderen zu helfen, Blut spenden. Und Personen, die keinen finanziellen Anreiz haben, sind eher bereit, Ärzte über Risikofaktoren zu informieren, was potenzielle Spender schlimmstenfalls disqualifiziert. Soweit die Theorie. In der Praxis zieht Altruismus nicht, das haben die letzten Jahre mehr als deutlich gezeigt. Und ohne umfangreiche Labortests wird generell keine Blutspende ihren Weg zum Empfänger nehmen.
Doch es gibt nicht nur das DRK. Pharma-Unternehmen, Krankenhäuser oder Universitätskliniken zahlen zwischen 20 und 45 Euro als Honorar pro Spende. Ihnen ist klar: Altruismus reicht nicht aus, um Menschen zu motivieren. Geld motiviert eben stärker. Darüber mag man enttäuscht sein, doch so ist die Welt eben.
Das Phänomen ist weder neu noch überraschend. Um etwa Probanden zu motivieren, an klinischen Studien teilzunehmen, werden teils horrende „Aufwandsentschädigungen“ gezahlt. Warum also nicht bei Blutspenden?
Auch in der Medizin bestimmen schließlich Angebot und Nachfrage den Markt. Nur schätzungsweise 3 % der Menschen spenden hierzulande Blut; jeder Dritte käme dafür aber infrage. Was also tun?
„Es wäre durchaus angemessen, die wertvolle Ressource Blut mit einer entsprechenden Aufwandsentschädigung zu vergüten“, hatte schon vor Jahren Prof. Georg Marckmann vom Institut für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin, LMU München, gefordert. „Man müsste es einfach einmal ausprobieren.“ Genau das ist der springende Punkt: Problemlösungen sind fern – und eine neue Strategie mit begleitender Evaluation wäre sinnvoll. Marckmann kann sich etwa 25 Euro pro Stunde vorstellen, in Zeiten mit Engpässen wäre sicher auch ein höherer Obolus denkbar.
Denn Blut ist nicht mehr oder weniger als jede medizinische bzw. pharmazeutische Intervention. Warum sollen nur Blutbanken davon profitieren? Bei einem Preis von zirka 95 bis 130 Euro für eine Blutkonserve bewegt sich Deutschland ohnehin am unteren Ende der europäischen Skala. Auch darüber wäre nachzudenken – zu Gunsten der Spender.
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