Xylit und Erythrit können bei kardialen Vorerkrankungen das Risiko von Herzinfarkt und Schlaganfall erhöhen. Wie gefährlich sind die Zuckeralternativen wirklich?
Für Eilige gibt’s am Ende des Artikels eine kurze Zusammenfassung.
Süßstoffe und Zuckerersatzprodukte sollen eine kalorienarme Alternative sein. Doch der Konsum der Kaloriensparer ist möglicherweise nicht frei von gesundheitlichen Risiken. Xylit ist eine dieser Alternativen. Der Zuckeralkohol, auch unter dem Namen Birkenzucker bekannt, steckt in vielen hochverarbeiteten Lebensmitteln wie Joghurts, Süßigkeiten und zahnfreundlichen Kaugummis, in Zahnpasta und in Getränken. Die Substanz wird als „natürlicher Süßstoff“ beworben, da Xylit in geringen Mengen in Obst oder Gemüse vorkommt und sogar vom menschlichen Körper selbst produziert wird.
Laut einer Studie der Cleveland Clinic in den USA, die jetzt im European Heart Journal veröffentlicht wurde, sind höhere Werte des Süßstoffs Xylit im Blut mit einem erhöhten Risiko für schwere Herzerkrankungen und Schlaganfälle verbunden. Erstautor der Studie ist der Kardiologe Dr. Marco Witkowski, aktuell tätig am Deutschen Herzzentrum der Charité (DHZC).
Ein Forschungsteam um Witkowski et al. hat Nüchtern-Blutproben von mehr als 3.300 Männern und Frauen analysiert, die an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung litten. Zudem wurde der Xylit-Spiegel in ihrem Blut ermittelt. Das Team beobachtete den gesundheitlichen Zustand der Patienten über einen Zeitraum von drei Jahren. Bei Menschen mit hohen Xylit-Konzentrationen im Blut kam es deutlich häufiger zu Schlaganfällen oder Herzinfarkten oder sie verstarben an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung.
Ihr Risiko für schwerwiegende Herz-Kreislauf-Ereignisse lag um 57 % höher als bei den Studienteilnehmern, in deren Blut nur niedrige Werte von Xylit detektiert wurden. In an die klinischen Untersuchungen angeschlossenen Laborexperimenten mit dem Blut gesunder Personen fanden die Forscher eine mögliche Erklärung für den Zusammenhang von erhöhten Xylit-Werten und dem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse. Xylit und Erythrit erhöhten beide die Reaktivität der Thrombozyten. Dies fördert die Bildung von Blutgerinnseln und erhöht damit das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen.
„Unsere Forschung weist auf mögliche Risiken von Xylit hin und zeigt, dass Süßstoffe nicht unbedingt die harmlose Zuckeralternative sind, für die sie oft gehalten werden“, resümiert Witkowski: „Besonders bei Menschen mit bestehenden Herz-Kreislauf-Risiken könnte der Konsum von Xylit zusätzliche Gesundheitsgefahren bergen. Es ist wichtig, dass Verbraucher sich dieser Risiken bewusst sind und ihren Konsum dieser Süßstoffe überdenken. Bei Unsicherheiten sollten sie sich an ihren Arzt oder Ernährungsberater wenden.“
Bereits im Jahr 2023 konnten Witkowski et al. ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse und eine gesteigerte Thrombose-Neigung bei Konsum von Erythrit beobachten. Die Autoren führten eine In-vivo- und In-vitro-Studie in vier Abschnitten durch. In die erste Untersuchungsreihe wurden 1.157 Personen mit hohem Risiko für Herzkreislauferkrankungen aufgenommen und 3 Jahre lang beobachtet.
Die Teilnehmer, bei denen in diesem Zeitraum Tod, ein nicht-fataler Herzinfarkt oder ein Schlaganfall auftrat, zeigten eine erhöhte Konzentration von multiplen Polyolen, vor allem von Erythrit auf. In einer Metabolomics-Analyse untersuchten die Autoren 2 Kohorten von stabilen Patienten (2.149 aus den USA und 833 aus Europa), welche sich einer kardialen Untersuchung unterzogen. Bei ihnen bestätigte sich diese Assoziation.
Bei präklinischen Versuchen war mit physiologischen Erythrit-Konzentrationen die Reaktivität von Thrombozyten in vitro und in vivo bei Mäusen die Thromboseentstehung erhöht. In einer prospektiven Interventionsstudie an 8 freiwilligen, gesunden Probanden führte die Aufnahme von 30 g Erythrit zu einer länger als 2 Tage anhaltenden Erhöhung der Erythritspiegel deutlich über die Schwelle hinaus, bei der sich in vitro und in vivo eine gesteigerte Reaktivität der Thrombozyten und ein erhöhtes Thrombosepotenzial gezeigt hatte.
Es sind zwar noch viele Fragen ungeklärt. Dies betrifft vor allem die genauen Wirkmechanismen, aber auch, ob und wie problematisch die Zuckeralkohole für gesunde Menschen sein könnten. Xylit, Erythrit und andere Zuckerersatzstoffe sollten in umfassenden Langzeituntersuchungen weiter untersucht werden. Konsumenten, insbesondere Menschen mit kardialen Vorerkrankungen, sollten sie zur Sicherheit bis zur Klärung der offenen Fragen nur in Maßen zu sich nehmen.
Kurze Zusammenfassung für Eilige:
Quellen:
Witkowski et al. Xylitol is prothrombotic and associated with cardiovascular risk. Eur Heart J, 2024. doi: 10.1093/eurheartj/ehae244.
Witkowski et al: The artificial sweetener erythritol and cardiovasculaar event risk. Nat Med, 2023. doi: 10.1038/s41591-023-02223-9.
Bildquelle: Jason D, unsplash