Die Funktion von Proteinen, die in Zellen vielfältige Aufgaben erfüllen, wird häufig in wässrigen Pufferlösungen untersucht. Forscher widmeten sich nun der Frage, ob sie in diesen Lösungen, beispielsweise bei pharmazeutischen Studien, genauso funktionieren wie in ihrer natürlichen Umgebung.
Fehler in der Proteinfunktion führen oft zu schweren Erkrankungen wie z. B. Chorea Huntington und Alzheimer. Die natürliche Arbeitsumgebung der Proteine in der Zelle ist eine hoch-konzentrierte Lösung (zähflüssiger und konzentrierter als Eiweiß), die aus verschiedenen Makromolekülen sowie kleinen organischen und anorganischen Stoffen besteht. Um die Funktion von Proteinen mit modernen analytischen Methoden untersuchen zu können, werden sie gezielt aus dieser Umgebung herausgelöst und in verdünnte wässrige Lösungen gegeben. Oftmals ist jedoch unklar, inwieweit die experimentellen Ergebnisse dann noch die wirkliche Funktion in der zellulären Umgebung reflektieren.
Eine häufig verwendete Methode, um den Effekt der dichtgepackten zellulären Umgebung auf Proteine vorherzusagen, ist die „Excluded Volume“-Theorie. Sie lässt sich anschaulich anhand eines alltäglichen Phänomens verstehen. In einem vollen Aufzug oder einer vollen Straßenbahn versucht jeder den direkten Kontakt mit seinen Nachbarn zu vermeiden und eine möglichst kompakte Körperhaltung einzunehmen (z. B. durch Anlegen der Arme). Das Prinzip der gegenseitigen Abstoßung lässt sich nach der „Excluded Volume“-Theorie auf Proteine in dicht gedrängter zellulärer Umgebung anwenden. Sie nehmen eine kompakte Struktur ein. In der Regel ist ihr biologisch aktiver Zustand auch zugleich der kompakteste Zustand, weshalb die „Excluded Volume“-Theorie eine Stabilisierung des biologisch aktiven Zustands voraussagt.
Mit Hilfe verschiedener Lösungsmittelzusätze wie Biomakromolekülen, Zuckern und Salzen haben die RUB-Forscher jetzt die unterschiedlichen zellulären Bedingungen imitiert und deren Einfluss auf das Modellprotein Ubiquitin analysiert. Dabei konnten sie zeigen, dass das Verhalten des Proteins nicht nur von der gegenseitigen Abstoßung zwischen Protein und Lösungsmittelzusatz bestimmt ist. Thermodynamische Studien halfen unterschiedliche Stabilisierungs- und Destabilisierungsmechanismen aufzudecken. Im Gegensatz zu der erwarteten sogenannten entropischen Stabilisierung – basierend auf dem „Excluded Volume“-Effekt – beobachteten die Forscher eine sogenannte enthalpische Stabilisierung von Ubiquitin in der Gegenwart von Makromolekülen, Zuckern und Salzen. Diese enthalpische Stabilisierung steht in direktem Zusammenhang mit der Verstärkung chemischer Bindungen des biologisch aktiven Zustands und lässt sich nicht über eine rein volumenbasierte kompaktere Gestalt des Proteins erklären. Schematische Darstellung des Faltungsgleichgewichts zwischen biologisch aktiver und denaturierter Struktur in verdünnter (links) und konzentrierter (rechts) Lösung. © RESOLV
Die Forscher führen das enthalpische Stabilisierungsphänomen auf einen Wasser-vermittelten Prozess zurück: Protein und Lösungsmittelzusatz wechselwirken nicht direkt miteinander, jedoch führen die veränderten Wassereigenschaften im Hydratwasser der Lösungsmittelzusätze zu einer Optimierung von Wasserstoffbrückenbindungen im biologisch aktiven Zustand des Proteins. Originalpublikation: Protein stabilization by macromolecular crowding through enthalpy rather than entropy Simon Ebbinghaus et al.; J. Am. Chem. Soc., doi: 10.1021/ja503205y; 2014