Wie therapiert ihr Hörstürze – immer noch intravenös? Da seid ihr auf dem Holzweg! Wie es einfacher geht, lest ihr hier.
Für Eilige gibt’s am Ende des Artikels eine kurze Zusammenfassung.
Ein Hörsturz ist definiert als eine plötzlich auftretende, einseitige Schwerhörigkeit ohne erkennbare Ursache. Jedes Jahr erleiden laut Deutscher Tinnitus Liga mehr als 150.000 Menschen einen Hörsturz. Das häufigste Erkrankungsalter liegt um das 50. Lebensjahr, Männer und Frauen sind gleichermaßen betroffen. Die Ursachen sind nicht genau geklärt; diskutiert werden vaskuläre und rheologische Störungen, Infektionen und zelluläre Regulationsstörungen als Pathomechanismen. Die Spontanheilungsrate liegt bei 50 %, d. h. bei der Hälfte der Betroffenen kommt es innerhalb von zwei Tagen zu einer Spontanremission.
Bis vor Kurzem galt laut S1-Leitlinie Hörsturz:
Als initiale Therapie sollte Prednisolon in einer Dosierung von 250 mg über drei Tage intravenös verabreicht werden. Alternativ oder als sekundäre Therapie bei ausbleibendem Erfolg der systemischen Prednisolon-Gabe wurde die intratympanale Applikation von Glukokortikosteroiden empfohlen (z. B. bei Patienten mit Vorerkrankungen, die eine systemische Gabe von Prednisolon als zu riskant erscheinen lassen).
Nun wurde durch die Ergebnisse der HODOKORT-Studie das bisherige Therapieregime in Frage gestellt. Die HODOKORT-Studie (Effektivität und Sicherheit der HOchDOsis-GlukoKORTikoidtherapie beim Hörsturz) wurde unter der Leitung der Universitätsmedizin Halle (Saale) und in Zusammenarbeit mit dem deutschen Studienzentrum für HNO-Heilkunde und dem KKS Halle an 40 Studienzentren in Deutschland durchgeführt. Es wurden 312 Patienten mit Hörsturz untersucht, die in drei Behandlungsgruppen eingeteilt wurden:
Eingeschlossen wurden Patienten mit Hörverlust von mindestens 50 dB in den drei am meisten betroffenen benachbarten Frequenzen. Der primäre Zielparameter war die Veränderung der Hörschwelle; diese wurde gemessen als Mittelwert der drei am stärksten betroffenen benachbarten Frequenzen vom Ausgangswert bis zum Tag 30. Sekundäre Zielparameter waren u.a. der Endwert der Hörschwelle nach sechs Monaten, der Anteil der Patienten mit vollständiger Erholung, Sprachverständnis im Freiburger Einsilbertest sowie die Veränderung der Tinnitus-Belästigung und -Lautstärke.
Die durchschnittliche Veränderung der Hörschwelle nach 30 Tagen war folgendermaßen:
Die Patienten in der HD-Pred-Gruppe wiesen immer schlechtere Hörschwellen und geringere Verbesserungen auf als die Teilnehmer in den anderen Gruppen. Auch hatten in dieser Gruppe die wenigsten Patienten (24 %) am Tag 30 eine vollständige Hörverbesserung. Die HD-Pred- und die HD-Dex-Gruppe hatten zudem nach 30 Tagen ein schlechteres Sprachverständnis (Freiburger-Einsilbertest in Ruhe) als die Pred-Control-Gruppe. Dazu traten in beiden Hochdosis-Gruppen mehr unerwünschte Ereignisse auf.
Ein Kritikpunkt an der HODOKORT-Studie ist, dass keine Placebogruppe gebildet wurde. Der Nutzen von Glukokortikoiden zur Behandlung des Hörsturzes ist unklar; allerdings gelten Glukokortikoide seit über 50 Jahren als Standardtherapie. Daher wurde aus Gründen der ethischen Vertretbarkeit und der Erwartungshaltung der Patienten auf eine Placebogruppe verzichtet.
Zusätzlich erfolgte eine systematische Auswertung klinischer Studien zum Nutzen der intratympanalen Glukokortikoidapplikation. Diese ergab, dass eine alleinige intratympanale Therapie keinen zusätzlichen Nutzen im Vergleich zur systemischen Glukokortikoidgabe bringt. Eine Kombinationstherapie (intratympanal plus systemisch) ergab keinen bis geringfügigen zusätzlichen Nutzen. Anders ist die Situation bei der Sekundärtherapie, also wenn die erste Behandlung nicht erfolgreich war. Dabei führt die intratympanale Gabe im Vergleich zu Placebo oder Nichtstun bei einer viel größeren Anzahl von Personen zu einer deutlichen Verbesserung des Hörvermögens (zusätzliche Verbesserung im Vergleich zu Placebo 9dB, endgültige Hörschwelle Verbesserung um 11 dB).
Aus den Ergebnissen der HODOKORT-Studie lassen sich nun neue Therapieempfehlungen ableiten: weg von der intravenösen, hin zur oralen, niedriger dosierten Cortisontherapie. Diese ist insbesondere im ambulanten Bereich einfacher zu realisieren und angenehmer für den Patienten (die Tabletten können zuhause eingenommen werden) und sind deutlich nebenwirkungsärmer. Die Ergebnisse der HODOKORT-Studie werden sicher in die neue Leitlinie zur Behandlung des Hörsturzes aufgenommen werden – diese ist bereits in Bearbeitung.
Unsicherheit bei Ursachen und Behandlung: Die genaue Ursache eines Hörsturzes und die richtige Therapie sind nicht abschließend geklärt. Die bisherige Standardtherapie mit hochdosiertem Prednisolon (intravenös) wird nun in Frage gestellt.
Ergebnisse der HODOKORT-Studie: In einer Studie an 312 Patienten zeigte die hochdosierte Prednisolon-Therapie schlechtere Ergebnisse und mehr Nebenwirkungen als niedrig dosierte orale Prednisolon-Therapie und hochdosierte orale Dexamethason-Therapie.
Neue Therapieempfehlungen: Weg von hochdosierter intravenöser Therapie hin zu oral niedriger dosierter Cortisontherapie, die einfacher, angenehmer und nebenwirkungsärmer für Patienten ist.
Bildquelle: Ahmed, unsplash