Der ASCO-Kongress bot auch in diesem Jahr wieder eine Vielzahl interessanter und potenziell praxisverändernder Studien. Wir waren für euch dabei – hier sind die wichtigsten Neuerungen.
Für Eilige gibt’s am Ende des Artikels eine kurze Zusammenfassung.
ESOPEC – lokal fortgeschrittenes Adenokarzinom des Ösophagus
Die erste in diesem Jahr in der Plenary Session vorgestellte Studie war die deutsche ESOPEC-Studie, die sich mit der perioperativen Therapie des lokal fortgeschrittenen Ösophaguskarzinoms befasst. Die etablierten Therapieoptionen in dieser Indikation sind die perioperative Chemotherapie mit je 4 Zyklen nach dem FLOT-Protokoll (5-FU, Folinsäure, Oxaliplatin, Docetaxel) oder eine neoadjuvante kombinierte Radiochemotherapie mit Carboplatin und Paclitaxel gefolgt von der Resektion.
Wenngleich die Therapie nach dem FLOT-Protokoll in Deutschland eher den Standard darstellt, lagen bislang keine validen vergleichenden Studien dieser zwei Behandlungen vor. Diese Lücke schließt die ESOPEC nun: 438 Patienten wurden 1:1 zu einer Behandlung nach entweder dem FLOT- oder CROSS-Protokoll randomisiert, primärer Endpunkt war das Gesamtüberleben (OS). Letzteres ist eindeutig verbessert im FLOT-Arm: Nach einem medianen Follow-Up von 55 Monaten liegt das mediane OS unter FLOT bei 66 Monaten vs. 37 Monaten nach dem CROSS-Protokoll. Gleiches gilt für die signifikant bessere 3-Jahres-Überlebensrate mit 57,4 % vs. 50,7 % (HR 0,7; p = 0,012). Das verbesserte Überleben unter der perioperativen Chemotherapie bestätigte sich auch über alle analysierten Subgruppen hinweg. Zudem zeigte sich unter dem FLOT-Protokoll eine höhere Rate an post-operativen pathologischen kompletten Remissionen, ohne dass dies die post-operative Morbidität und Mortalität erhöhen würde.
Zusammenfassend bestätigt die ESOPEC somit die perioperative Chemotherapie nach dem FLOT-Protokoll als Gold-Standard in der perioperativen Behandlung des Adenokarzinoms des Ösophagus bzw. AEG. Die Radiochemotherapie nach dem CROSS-Protokoll bleibt eine Therapieoption für komorbide und/oder ältere Patienten, die möglicherweise nicht für eine Behandlung mit FLOT geeignet sind. Da sich in der Zwischenzeit aber auch weitere Therapieoptionen, insbesondere die adjuvante Immuntherapie bei pathologischer Resterkrankung nach neoadjuvanter Radiochemotherapie, im Feld positioniert haben, werden in dieser Indikation sicherlich weitere Studien folgen, um die optimale Behandlung zu identifizieren.
Eine ebenfalls in der Plenary Session vorgestellte und mit Standing Ovations bedachte Studie war die ADRIATIC-Studie. Diese bietet seit Langem mal wieder signifikante Neuigkeiten in der Behandlung des kleinzelligen Lungenkarzinoms (SCLC), und zwar für die Limited Disease, also die nicht metastasierte Erkrankung. Nachdem die Immuntherapie bereits in die Therapie des Extensive Disease SCLC Einzug gehalten hatte, untersuchte nun die ADRIATIC-Studie den Nutzen einer Erhaltung mit dem Checkpointinhibitor Durvalumab. Es handelt sich hierbei um eine randomisierte, doppelblinde, placebo-kontrollierte Phase-III-Studie.
Nach Abschluss der initialen kombinierten Radiochemotherapie sowie ggf. einer prophylaktischen Ganzhirnbestrahlung wurden insgesamt 730 Patient 1:1(:1) randomisiert und entweder einer Erhaltungstherapie mit Durvalumab oder aber Placebo für jeweils bis zu 24 Monaten oder bis zum Progress zugeführt. Darüber hinaus gab es noch einen explorativen Arm, in welchem explorativ zusätzlich zu Durvalumab auch noch der CTLA-4-Antikörper Tremelimumab verabreicht wurde, dessen Ergebnisse aber zu der aktuellen Interims-Analyse noch nicht berichtet wurden. Die Immuntherapie führte zu einer deutlichen und signifikanten Verbesserung im ersten primären Endpunkt des mittleren OS von 55,9 vs. 33,4 Monaten (HR 0,73; p = 0.0104). Auch der zweite primäre Endpunkt des medianen progressionsfreien Überlebens (PFS) zeigte sich durch Durvalumab signifikant verbessert (16,6 vs. 9,2 Monate; HR 0,76; p = 0,0161). In dieser Studie bestätigte sich ebenfalls der Benefit der Immuntherapie hinsichtlich OS und PFS über alle Subgruppen hinweg. Diese beeindruckenden Ergebnisse werden die Konsolidierung mit Durvalumab zum neuen Standard in der Behandlung des Limited Disease SCLC machen.
Für große Neuigkeiten in der Behandlung des Mammakarzinoms sorgte die DESTINY-Breast06-Studie. In dieser wurde das Antikörper-Wirkstoff-Konjugat Trastuzumab-Deruxtecan (T-DXd) in der Therapie des metastasierten, hormonrezeptor-positiven, HER2-low (IHC 1+/2+) Mammakarzinoms nach Progress nach ≥1 Therapielinie endokriner Therapie gegen eine Standardchemotherapie (Capecitabin, Paclitaxel oder nab-Paclitaxel) getestet. Bemerkenswert ist, dass zudem auch Erkrankungen mit einem HER2-ultralow-Rezeptorstatus eingeschlossen wurden, was nach Definition der Studie einer sehr schwachen immunhistochemischen Expression im Graubereich zwischen IHC 0 bis +1 entsprach. Der HER2-Status ist relevant, da HER2 als Bindungsstelle für das Trastuzumab im T-DXd dient.
Zusammengefasst verbesserte T-DXd in dieser frühen Therapielinie signifikant den primären Endpunkt des PFS in der HER2-low-Gruppe im Vergleich zu Chemotherapie (13,2 vs. 8,1 Monate; HR 0,62; p < 0,0001). Ein beinahe gleiches Ergebnis ergab sich auch für die Gruppe der HER2-ultralow-Tumore (13,2 vs. 8,3 Monate; HR 0,78). Abschließende Daten zum OS liegen gegenwärtig noch nicht vor. Ein kritisches Augenmerk muss man sicherlich auf die potenzielle Toxizität der Therapie mit T-DXd legen, insbesondere das Auftreten einer Pneumonitis ist hierunter nicht als selten zu erachten (11,3 % in der Studie). Insgesamt präsentierte uns dieses Late Breaking Abstract Daten, die möglicherweise zu einem neuen Standard der Behandlung mit T-DXd in dieser Indikation führen können.
In der Plenary Session fand dieses Jahr erfreulicherweise auch die Palliativmedizin ihren Platz, und zwar in einem sehr aktuellen Kontext: In einer mehrjährigen Studie mit 1.250 eingeschlossenen Patienten mit der Erstdiagnose eines fortgeschrittenen Lungenkarzinoms wurde die frühzeitige palliativmedizinische Anbindung untersucht – und zwar randomisiert vierwöchentlich entweder in Form einer persönlichen oder aber telemedizinischen Video-Visite. Zusammengefasst ergab sich eine Gleichwertigkeit der telemedizinischen palliativmedizinischen Anbindung hinsichtlich der relevanten Studienparameter wie Durchführung der Visiten oder Lebensqualität der Patienten. In Zeiten von Ressourcen-, aber ganz konkret auch Ärztemangel, sowie der Zentralisierung von Gesundheitsstrukturen ist dies eine wichtige Erkenntnis zur Nutzung digitaler Strukturen sowie zur Möglichkeit der Integration palliativmedizinischer Versorgung.
Das waren die spannendsten Studien am Kongress der American Society of Clinical Oncology (ASCO) 2024
Quellen:
Hoeppner et al. Prospective randomized multicenter phase III trial comparing perioperative chemotherapy (FLOT protocol) to neoadjuvant chemoradiation (CROSS protocol) in patients with adenocarcinoma of the esophagus (ESOPEC trial). JCO, 2024. doi: 10.1200/JCO.2024.42.17_suppl.LBA1
Spigel et al. ADRIATIC: Durvalumab (D) as consolidation treatment (tx) for patients (pts) with limited-stage small-cell lung cancer (LS-SCLC). JCO, 2024.doi: 10.1200/JCO.2024.42.17_suppl.LBA5
Curigliano et al. Trastuzumab deruxtecan (T-DXd) vs physician’s choice of chemotherapy (TPC) in patients (pts) with hormone receptor-positive (HR+), human epidermal growth factor receptor 2 (HER2)-low or HER2-ultralow metastatic breast cancer (mBC) with prior endocrine therapy (ET): Primary results from DESTINY-Breast06 (DB-06). JCO, 2024. doi: 10.1200/JCO.2024.42.17_suppl.LBA1000
Greer et al. Comparative effectiveness trial of early palliative care delivered via telehealth versus in person among patients with advanced lung cancer. JCO, 2024. doi: 10.1200/JCO.2024.42.17_suppl.LBA3
Bildquelle: suoerix, unsplash