Behandeln wir bald mit Killer-Phagen? Wann kann man bei Harnwegsinfekten auf die Antibiose verzichten? Und wie definiert man eigentlich Cellulitis? Die Antworten gibt’s hier im Schnelldurchlauf.
Was gibt es Neues bei der Behandlung von Harnwegsinfektionen (HWI) und Haut- und Weichteilinfektionen? Diese Frage wird alljährlich auf dem Infektio Update besprochen. Die wichtigsten Infos von diesem Jahr gibt es hier im Schnelldurchlauf.
Dieser Bereich wurde von Prof. Florian Wagenlehner vom Universitätsklinikum Gießen vorgestellt. Zunächst berichtet er von den Leitlinien und Klassifikationen, die im letzten Jahr aktualisiert wurden:
Klassifikation von Harnwegsinfektionen: Eine internationale Konsensstudie führte zur Entwicklung eines neuen Referenzstandards, der auf Symptomen, Pyurie, Bakteriurie und systemischer Beteiligung basiert. Unter anderem wurde die Bakterieurie-Schwelle von 105 auf 104 koloniebildende Einheiten/ml gesenkt.
Aktualisierte S3-Leitlinie für unkomplizierte HWI: Nicht antibiotische Therapien sollen vermehrt eingesetzt werden, bei einer antibiotischen Behandlung sollen zunächst Nischen-Antibiotika verwendet werden.
Überarbeitete PEG-Empfehlung zur Behandlung komplizierter HWI: Die Paul-Ehrlich-Gesellschaft gibt dieses Jahr eine neue Empfehlung zur Antibiotika-Auswahl heraus. Dabei werden besonders die variablen cHWI-Formen und die regionale Resistenzsituation beachtet.
Gute Nachrichten gibt es auch an der Front neuer Antibiotika. Hier wurden gleich zwei neue Alternativen vorgestellt:
Cefepim/Taniborbactam: Ein Reserveantibiotikum, das gegen carbapenem-resistente Enterobacterales und multireseistente P. aeruginosa, insbesondere mit Metallo-Beta-Laktamasen, wirksam ist.
Gepotidacin: Ein neues schmalband Antibiotikum gegen unkomplizierte HWI. Das Besondere daran ist, dass es eine neue Wirkweise hat und somit eine Alternative bei etablierten Resistenzen darstellt.
Doch allein mit neuen Antibiotika wird sich die Resistenzkrise nicht bewältigen lassen. Deshalb werden auch stetig neue Methoden erforscht, allen voran die Phagentherapie. Hier die wichtigste Entwicklung im letzten Jahr:
Phagen mit Resistenz-Unterdrückung: Die sogenannten heterologen Effektor-Phagen-Therapeutika (HEPT) umgehen das gängige Problem, dass Bakterien schnell Resistenzen gegen die Phagen entwickeln, indem die HEPTs Colicin-ähnliche Bakteriozide und Zellwandhydrolasen produzieren.
Auch in diesem Bereich waren Klassifikationen und Leitlinien Thema, wie Redner Prof. Christian Eckmann vom Klinikum Hann. Münden vorstellt:
Klassifikation von Cellulitis: Die deutsche Nomenklatur unterscheidet sich deutlich von der angloamerikanischen. In letzterer werden Erysipel, Phlegmone und Cellulitis zum allgemeinen „Cellulitis“ zusammengefasst, während sie hierzulande differenziert definiert werden. Eckmann hält dies für sinnvoll, da diese Einteilung für die Therapie ausschlaggebend ist.
Globale Leitlinie zur Therapie von Weichgewebeinfektionen: Diese wurde von verschiedenen, internationalen Fachgesellschaften erarbeitet. Eckmann bemängelt allerdings eine zu starke Verallgemeinerung und einen möglichen Einfluss der Pharmakonzerne. Lokale Leitlinien seien besser geeignet.
Im letzten Jahr gab es zudem mehrere Überlegenheitsstudien, durch die sich neue Antibiotika in Stellung bringen:
Cefazolin: In vitro und in präliminären klinischen Daten zeigt es eine Überlegenheit gegenüber dem etablierten Cefuroxim bei der Behandlung von unkomplizierter Appendizitis.
Cefuroxim/Metronidazol: Sowohl in der kolorektalen Chirurgie als auch bei einer Appendektomie im Kindesalter führte der Einsatz von Cefuroxim/Metronidazol seltener zu postoperativen Wundinfektionen als die aktuell empfohlene Kombination aus Amoxicillin/Clavulansäure.
Piperacillin/Tazobactam: Im Vergleich zu Cefoxitin kam es nach einer Pankreas-OP mit dieser Kombination zu signifikant weniger postoperativen Wundinfektionen oder Sepsis, sowie klinisch relevanten Pankreasfisteln. Eckmann betont jedoch, dass weitere Forschung nötig ist, bevor ein abschließendes Urteil möglich ist.
Zuletzt wurde die Relevanz der Antibiotic Stewardship erneut bestätigt:
„Short is better“: Mehrere Übersichtsarbeiten verdeutlichten, dass kürzere Therapiedauern auch bei schweren Infektionen vorteilhaft sind und eine tagesgenaue Analyse zeigte, dass jeder zusätzliche Tag einer Antibiotikatherapie mit einem signifikanten Anstieg unerwünschter Nebenwirkungen verbunden ist.
Bildquelle: Osarugue Igbinoba, Unsplash