Man weiß nicht, wie sie entsteht. Man weiß nicht, was wirklich hilft. Rund um die seltene Hautkrankheit Necrobiosis lipoidica gibt es noch viel zu erforschen, wie eine neue Leitlinie zeigt. Was drin steht, lest ihr hier.
Vor nicht einmal 100 Jahren beschrieb der österreichische Dermatologe und Syphilidologe Moritz Oppenheim eine Bindegewebsdegeneration der Haut bei Diabetikern: mitunter handtellergroße, chronische Läsionen der Haut, vorwiegend am Schienbein, die sich entzünden und Geschwüre bilden können. Heute weiß man, dass die Necrobiosis lipoidica getaufte Krankheit oft, aber nicht nur, bei Menschen auftritt, die Diabetes haben – weniger als ein Prozent der Diabetiker sind betroffen.
Das Wenige, was man über diese Krankheit weiß, fasst nun erstmals die 50-seitige S1-Leitlinie Diagnostik und Therapie der Necrobiosis lipoidica der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) zusammen. Die Leitlinie richtet sich primär an Dermatologen, sie soll aber auch Allgemeinärzte, Diabetologen, Geriater, Endokrinologen, Wundexperten und Pflegekräfte informieren.
Die Autoren betonen, dass zur Therapie nur Fallberichte und, wenn es hochkommt, Fallserien publiziert sind. Prospektive, geschweige denn randomisierte Studien gibt es keine. Entsprechend dürftig ist die Evidenz der Empfehlungen, die die Autoren im informellen Konsens gefunden haben.
Über die Häufigkeit der Krankheit lässt sich nur sagen, dass sie selten ist. Immerhin fällt auf, dass sie bei Frauen drei- bis sechsmal so häufig auftritt wie bei Männern, bei denen sich aber leichter Geschwüre bildet. Auch die Entstehung der Krankheit ist ein Rätsel. Man kann zwar beobachten, dass sich etwa das Bindegewebe verändert, dass es zu Entzündungen kommt und dass sich die Gefäßwände verdicken – aber was davon Ursache und was Folge ist, weiß man nicht. Auch Traumata und eine genetische Disposition spielen möglicherweise eine Rolle, aber auch das ist nicht wirklich klar.
Die durchschnittlich drei Läsionen können sich außer an den Schienbeinen beispielsweise auch an Oberschenkeln und Händen bilden. Im Frühstadium macht die Krankheit meist keine Probleme. Entstehen Geschwüre, oft ausgelöst durch leichte Verletzungen, sind diese dann aber schmerzhaft.
Beispiel Necrobiosis lipoidica. Credit: Flexikon
Besonders in den Kapiteln zu den Therapieempfehlungen weht einen der Pioniergeist an. In einem Schaubild zum klinischen Algorithmus mit Therapien der ersten, zweiten und dritten Wahl sind 14 Maßnahmen aufgeführt – von Glukokortikosteroid- und Tacrolimus-Salben über intraläsional injizierte sowie systemische Medikamente bis hin zu Licht- und Lasertherapien. Ganze 11 davon sind ohne konkrete Zulassung, können also nur off-label angewandt werden.
Manche Empfehlungen beruhen auf einem einzigen Fall. So haben Ärzte ihren Patienten beispielsweise immunmodulierenden Substanzen gespritzt, unter anderem auch Talidomid. Die Empfehlung, dass der topische Januskinase-Inhibitor Ruxolitinib erwogen werden kann, geht auf den Bericht einer 19-jährigen Patientin zurück, der es nach dreimonatiger Behandlung deutlich besser ging. Die Autoren kommentieren lakonisch: „Weitere Studien sind hier in Zukunft mit Spannung zu erwarten.“
Steckbrief Necrobiosis lipoidica
Für den intraläsonal und systemisch injizierten, gegen TNF-alpha gerichteten monoklonalen Antikörper Infliximab gibt es immerhin eine Fallserie. Trotz überzeugender Ergebnisse gilt er den Autoren aber nur als Drittlinientherapie, für die breite Anwendung erscheint er ihnen schlicht zu teuer. Erwähnenswert ist außerdem: Eine gute Einstellung des Diabetes ist sinnvoll, verbessert die Läsionen aber nicht unbedingt. Kompressionsstrümpfe sollen alle Patienten tragen, Lichttherapien und Hauttransplantationen können erwogen und Geschwüre sollen wie üblich behandelt werden.
Vielleicht hätte seinerzeit auch Moritz Oppenheim noch mehr herausgefunden. Doch der musste vor den Nazis in die USA fliehen, wo er an der Universität von Chicago immerhin einen Lehrauftrag in Dermatologie bekam.
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