Die Listerien-Diagnose kann knifflig sein – das hat manchmal lebensgefährliche Folgen. Gerade bei immunsupprimierten Patienten sollten Ärzte deshalb besonders aufpassen, wie ein Case Report zeigt.
Für Eilige gibt’s am Ende des Artikels die wichtigsten Listerien-Fakten.
Ein 62-jähriger Mann stellte sich in der Notaufnahme mit seit drei Tagen bestehender Übelkeit und Diarrhoe vor. Als Vorerkrankungen sind bei ihm eine ulcerative Colitis bekannt, die mit Azathioprin und Ustekinumab (90 mg s. c. alle 8 Wochen) behandelt wird. Außerdem leidet er an primär sklerosierender Cholangitis (PSC) und Leberzirrhose. Drei Tage vor der Vorstellung in der Notaufnahme wurde im Rahmen einer Routineuntersuchung eine Aszitespunktion durchgeführt. Die Ergebnisse zeigten eine Gesamtzellzahl von 198 Zellen/µL mit 8 % Neutrophilen. In der mikrobiologischen Untersuchung wurde kulturell Listeria monocytogenes nachgewiesen, dieser Nachweis wurde jedoch als Kontamination gewertet, da zu diesem Zeitpunkt lediglich Übelkeit bestand.
Bei der Vorstellung in der Notaufnahme hatte der Patient zusätzlich Fieber und eine Tachykardie. Laborchemisch fielen eine Hyponatriämie, eine Serumleukozytose und erhöhtes Laktat auf. In einer erneuten Parazentese war die Gesamtzellzahl nun auf 346 Zellen/µL mit 79 % Neutrophilen erhöht, was zu einer Diagnose einer spontan bakteriellen Peritonitis (SBP) passte. Aszites und Blutkulturen wurden zur mikrobiologischen Diagnostik versandt. Der Patient wurde daraufhin stationär mit der Verdachtsdiagnose Sepsis bei SBP aufgenommen und intravenös mit Piperacillin/Tazobactam behandelt.
Im weiteren Verlauf zeigte der Patient eine klinische Verschlechterung mit Tachykardie, Tachypnoe, Fieber und Dyspnoe und wurde auf die Intensivstation verlegt. Mittlerweile konnte der kulturelle Nachweis von Listeria monocytogenes im Aszites und in den Blutkulturen bestätigt werden. Die antiinfektive Therapie wurde bei der Diagnose einer invasiven Listerieninfektion auf Ampicillin (2 g i. v. alle 4 Stunden) und Cotrimoxazol (400 mg i. v. alle 8 Stunden) umgestellt. In der transthorakalen Echokardiographie zeigte sich kein Hinweis auf eine Endokarditis.
Am Folgetag entwickelte der Patient Kopfschmerzen mit Nackensteifigkeit. In der Lumbalpunktion konnte eine erhöhte Gesamtzellzahl von 2125 Zellen/µL mit 87 % Neutrophilen nachgewiesen werden, die PCR und die bakteriellen Kulturen waren ebenfalls positiv für L. monocytogenes.
Im weiteren Verlauf kam es unter der Therapie mit Ampicillin und Cotrimoxazol zu einer klinischen Verbesserung, was auch durch die Kontrollpunktionen des Liquors mit rückläufiger Zellzahl bestätigt wurde. An Tag 5 der Therapie wurde diese auf Penicillin G und Cotrimoxazol umgestellt und insgesamt für 8 Wochen fortgeführt, nach Entlassung im Rahmen einer ambulanten parenteralen Antibiotikatherapie (APAT). Nach Abschluss der Therapie mit Restitutio ad integrum wurde aufgrund der bestehenden Immunsuppression eine Suppressionstherapie mit Cotrimoxazol begonnen.
Listeria monocytogenes ist ein grampositives, bewegliches und fakultativ anaerobes Stäbchenbakterium, das meist über die Nahrung und folgend über den Gastrointestinaltrakt aufgenommen wird. Die Infektion mit Listerien hat ein breites Krankheitsspektrum – von einer milden Gastroenteritis bis hin zu einer schweren invasiven Erkrankung mit Meningitis und Sepsis. Besonders gefährdet sind Kinder, ältere Menschen, Schwangere und Immunsupprimierte.
Credit: DocCheck, erstellt mit BioRender.com
Es gibt viele Fallbeschreibungen einer invasiven Listeriose unter einer Therapie mit Biologika. In einem Review über 266 Fälle, die im Zeitraum von Januar 2000 bis September 2011 auftraten, waren 77,1 % mit Infliximab, 11,7 % mit Etanercept, 9,8 % mit Adalimumab, 4,1 % mit Rituximab, 0,4 % mit Abatacept und 0,4 % mit Golimumab assoziiert. Zusätzlich erhielten 73 % der Patienten mit einer invasiven Listeriose eine Therapie mit Steroiden oder Methotrexat. Unter der Therapie mit Ustekinumab wurde bisher jedoch erst ein weiterer Fall von Neurolisteriose bei einem Patienten mit Psoriasis beschrieben.
Der vorgestellte Fall unterstreicht die Bedeutung der klinischen Wachsamkeit bei immunsupprimierten Patienten: Seltene Erreger können schwere Infektionen und atypische Verläufe verursachen. Eine rechtzeitige Diagnose ist entscheidend, um die Morbidität und Mortalität zu verringern.
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