Wer täglich Olivenöl zu sich nimmt, hat ein geringeres Risiko eines demenzbedingten Todes. Der Haken: Die Deutschen sind bislang Olivenöl-Muffel – eine verpasste Ernährungschance?
Für Eilige gibt’s am Ende des Artikels eine kurze Zusammenfassung.
Die Mittelmeerdiät (MedDiet) hat ihren Ursprung in den Ernährungskulturen rund um das Mittelmeerbecken und basiert auf dem Verzehr von Olivenöl (als Hauptquelle für zugesetztes Fett), pflanzlichen Lebensmitteln (Getreide, Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte, Nüsse und Samen), dem moderaten Verzehr von Fisch, Meeresfrüchten und Milchprodukten und einem geringen bis moderaten Alkoholkonsum (hauptsächlich Rotwein), ausgeglichen durch einen vergleichsweise begrenzten Verzehr von rotem Fleisch und anderen Fleischprodukten.
Viele wissenschaftliche Studien haben die gesunden Eigenschaften der Mittelmeerdiät und ihre positive Rolle bei mehreren pathologischen Zuständen beschrieben. Die meisten positiven Effekte der MedDiet könnten in erster Linie auf ihre entzündungshemmenden und antioxidativen Eigenschaften sowie die Wirksamkeit dieses Ernährungsmusters bei der Kontrolle des Taillenumfangs und der Fettleibigkeit zurückzuführen sein.
Die „westliche” Ernährung ist mit der Industrialisierung verbunden und erhöht die Prävalenz chronischer Krankheiten wie Fettleibigkeit, Typ-II-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Dies wird oft einer „evolutionären Diskrepanz“ zwischen der menschlichen Physiologie und modernen Ernährungsumgebungen zugeschrieben. In Deutschland sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen in den Sterbestatistiken die häufigste Todesursache und verursachen etwa 360.000 Todesfälle pro Jahr, gefolgt von bösartigen Neubildungen mit etwa 240.000 Todesfällen. Ähnlich verteilt sind die Zahlen in den USA (700.000 und 600.000). Laut den Vereinten Nationen betrug die durchschnittliche Lebenserwartung in Westeuropa im Jahr 2023 82,7 Jahre. In den Vereinigten Staaten beträgt die durchschnittliche Lebenserwartung 73,5 Jahre für Männer und 79,3 Jahre für Frauen.
Modellberechnungen sind wegen der multiplen unkontrollierbaren Einflussfaktoren (Demographie, Ethnik, Gesundheitswesen, Zuwanderung etc.) immer mit Vorsicht zu genießen, doch geschätzt wurde, dass eine nachhaltige Umstellung von einer typisch westlichen Ernährung auf eine optimale Ernährung, wie die Mittelmeerdiät, die Lebenserwartung von Frauen um bis zu 10,7 Jahre und die von Männern um 13,0 Jahre erhöhen könnte.
Olivenöl ist der wichtigste Fettbestandteil der Mittelmeerdiät. Olivenöl, ein einfach ungesättigtes Fett, gehört zur Gruppe der „gesunden“ Fette. Viele der gesundheitlichen Vorteile sind auf Polyphenole und Ölsäure im Öl zurückzuführen. Natives (Virgin) Olivenöl enthält etwa 500 mg/l Polyphenole.
Neben den positiven kardiovaskulären Wirkungen hat Olivenöl krebshemmende Eigenschaften, die mit der antioxidativen Aktivität von Phenol- und Polyphenolverbindungen zu korrelieren scheinen, die freie Radikale und reaktiven Sauerstoff abfangen können. Selbst gegen entzündliche Prozesse bei Fibromyalgie wurden dem Olivenöl positive Effekte zugeschrieben, zumindest in vitro.
Obwohl Deutschland ein großer Olivenölimporteur ist, bleibt der tatsächliche Pro-Kopf-Verbrauch von Olivenöl gering, nämlich nur etwa 1 Liter pro Person und Jahr, weil ein großer Teil weiter exportiert wird, während die Mittelmeerländer 10 bis 20 Mal mehr pro Kopf verbrauchen. Griechenland ist mit einem Verbrauch von etwa 24 Litern pro Person und Jahr weltweit führend, Spanien mit 14,2 Litern, gefolgt von Italien mit 11,3 Litern pro Person und Jahr.
Eine numerische Korrelation zwischen Lebenserwartung und Olivenölkonsum deutet auf eine Rolle von Olivenöl bei der Senkung der Sterblichkeit hin. Tatsächlich zeigte eine kürzlich veröffentlichte prospektive Studie mit 90.000 Angehörigen der Gesundheitsberufe, dass eine höhere Olivenölaufnahme mit einem geringeren Risiko von demenzbedingter Mortalität verbunden war.
Die Forscher begleiteten 60.582 Frauen aus der Nurses‘ Health Study und 31.801 Männer aus der Health Professionals Follow-up Study von 1990 bis 2018. Der tägliche Konsum von mindestens 7 Gramm Olivenöl war über einen Zeitraum von 28 Jahren mit einem 28 % geringeren Risiko eines demenzbedingten Todes verbunden (gepooltes Hazard Ratio [HR] 0,72, 95 % CI 0,64–0,81) als der fehlende oder seltene Konsum von Olivenöl (P < 0,001). Außerdem zeigten frühere Untersuchungen dieser Kohorten, dass ein höherer Olivenölkonsum mit einem geringeren Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und einer geringeren Sterblichkeit durch neurodegenerative Erkrankungen verbunden war.
Wie üblich bei Beobachtungsstudien kann auch diese Studie einige Limitierungen aufweisen, darunter „reverse causality“, z.B. dass ein allgemein gesünderer Lebensstil zu einer geringeren Sterblichkeit führt oder sozio-ökonomische Faktoren eine Rolle spielen.
Aber im Gesamtkontext der verfügbaren Daten und insbesondere unter Berücksichtigung der signifikanten Korrelation zwischen Olivenölkonsum und Lebenserwartung auf internationaler Ebene kann man vernünftigerweise davon ausgehen, dass Deutschland – und auch die USA - im Hinblick auf die Gesundheit ihrer Bevölkerung von einem höheren Konsum von Olivenöl profitieren könnten.
Längeres Leben durch Mittelmeerdiät: Die Umstellung von westlicher Ernährung auf Mittelmeerdiät könnte nach Modellberechnungen die Lebenserwartung von Frauen um bis zu 10,7 Jahre und von Männern um 13 Jahre erhöhen.
Olivenöl und Demenzrisiko: Eine aktuelle Studie zeigte, dass ein täglicher Konsum von mindestens 7 Gramm Olivenöl über 28 Jahre mit einem 28 % geringeren Risiko eines demenzbedingten Todes verbunden ist.
Bildquelle: David Clode, Unsplash