Birgit hat Krebs. In einer Klinik wird sie erfolgreich therapiert – doch nun hat die Rentnerin ein neues Problem. Was das Verhalten der Ärzte damit zu tun hat, lest ihr hier.
Als die 68-Jährige Birgit nach Teilnahme am Mammographie-Screening die Diagnose Brustkrebs erhält, bricht für die rüstige Rentnerin eine Welt zusammen. Obgleich der Krebs glücklicherweise frühzeitig entdeckt werden konnte und sie nach Operation und Bestrahlung das Gröbste überstanden hat, hinterlässt dieser Schicksalsschlag auf ihrer Seele tiefe Spuren. Denn die Krebserkrankung hat ihr einmal mehr vor Augen geführt, wie endlich das Leben doch sein kann. Und so entwickelt sie immer wieder Panikattacken und fällt innerlich in ein tiefes schwarzes Loch. Da während der somatischen Behandlung auch auf den jeweiligen Stationen keine Zeit für ihre Ängste und Gefühle im Gespräch mit den Ärzten und Pflegekräften bleibt, zieht sie sich immer mehr zurück und gerät in einen Teufelskreis.
Nachdem sich ihre Angehörigen immer mehr Sorgen machen und schließlich den langjährigen Hausarzt zur Hilfe holen, nimmt Birgit eine Rehabilitationsbehandlung an der Nordseeküste in Anspruch und kommt dort erstmalig mit einer Psychoonkologin ins Gespräch. Dabei hatte sie vorher noch nie etwas von dieser Berufsgruppe gehört, ist aber bereits nach dem ersten Gespräch positiv überrascht und kann nach mehreren Sitzungen und einer erfolgreich abgeschlossenen Rehabilitationsbehandlung wieder positiv in die Zukunft sehen.
Obgleich der Begriff der Psychoonkologie in Verbindung mit der Behandlung von Krebspatienten immer häufiger zu Tage tritt, können sich bis heute noch nicht alle Patienten und Ärzte etwas darunter vorstellen. So ist allein das Wort „Psycho“ schon negativ besetzt und wirkt manchmal wie ein Stigma. Und dann in Verbindung mit Krebs. Wer oder was soll das sein?
Zieht man die Beschreibung des Deutschen Krebsforschungszentrums in der Helmholtz-Gemeinschaft zu Rate, handelt es sich bei der Psychoonkologie um eine eigene wissenschaftliche Fachrichtung, bei der vor allem die seelischen Auswirkungen von Krebs auf die Betroffenen und ihr Umfeld erforscht und Möglichkeiten der Unterstützung gesucht werden. In den letzten Jahren ist diese Forschungsrichtung zunehmend in Form von Psychoonkologen in der klinischen Praxis zu finden, die in immer mehr Krebszentren ein offenes Ohr für Patienten mit niederschmetternden Diagnosen haben. Besonderes Merkmal: Hierbei stehen neben den somatischen Befunden und Fragen der Therapieplanung hauptsächlich die individuellen Befindlichkeiten der Krebspatienten im Fokus. Die speziell geschulten Psychologen interessieren sich nämlich hauptsächlich für die Sorgen und Ängste, sowie für psychosoziale Probleme aller Art.
Da nicht nur um die Patienten selber, sondern auch ihr Umfeld betroffen ist, haben Psychoonkologen ebenfalls ein offenes Ohr für die Angehörigen. Da sind die besorgten Partner, die die Krebsdiagnose plötzlich den kleinen Kindern beibringen müssen, oder die Eltern, die nicht wissen, wie sie sich ihrem betroffenen Kind gegenüber am besten verhalten sollen.
Um die Qualität einer psychoonkologischen Betreuung sicherstellen zu können, hat die Deutsche Krebsgesellschaft für ihre zertifizierte Fortbildung ein eigenes Curriculum herausgegeben.
Psychologen, die diese Ausbildung erfolgreich abschließen, werden zunehmend auf onkologischen Stationen eingesetzt, oder arbeiten, wie im Fall von Birgit aus unserer Kasuistik, in Rehabilitationseinrichtungen. Obgleich die Stelle eines Psychoonkologen in Zeiten knapper wirtschaftlicher Ressourcen natürlich immer einen Kostenfaktor darstellt, sollte der Ausbau entsprechender Versorgungsstrukturen unbedingt vorangetrieben werden. Nicht nur, um die seelischen Schmerzen der Betroffenen zu lindern und im besten Fall die Wunden zu heilen, sondern ebenso zur Prävention psychiatrischer Komorbiditäten.
Bildquelle: Kristina Flour, Unsplash