Krebs im Endstadium – eine vernichtende Diagnose. Mit einer Schreibtherapie können Patienten sich selbst die Angst vor dem nehmen, was kommt. Warum Ärzte diese Therapieform öfter einsetzen sollten.
Krebs ist immer eine einschneidende Diagnose – egal in welchem Stadium und welche Art von Krebs. Die Psychoonkologie ist deswegen ein wichtiges, immer noch zu wenig genutztes Teilgebiet der Krebsbehandlung. Viele Angebote zielen auf Krebspatienten ab, die noch eine Chance auf ein beschwerdefreies, vielleicht sogar gänzlich krebsbefreites Leben haben – schwere und unheilbar kranke Patienten bleiben aber oft auf der Strecke. Dabei brauchen gerade diese Patienten oft psychische Unterstützung. Eine Schreibtherapie könnte genau diese Stütze sein, so zumindest die Ergebnisse einer aktuellen Studie, die im Journal of Palliative Medicine veröffentlicht wurde.
„Erwachsene mit Krebs im fortgeschrittenen Stadium erleben eine tiefe Zukunftsunsicherheit, die sich in einer erhöhten Angst vor dem Fortschreiten des Krebses (FoP; fear of cancer progression) und krebsbedingten Trauma-Symptomen äußert“, so die Studienautoren. Diese Ängste gilt es bestmöglich zu behandeln – zum Beispiel mit einer Schreibtherapie. Dabei sollen die Patienten ihre größte Angst aufschreiben, und zwar ganz genau. Sie sollen den Finger direkt in die Wunde legen und spezifizieren, vor was genau sie im Zusammenhang mit ihrer Krebsdiagnose am meisten Angst haben: Dass ihre Kinder sie vergessen? Dass sie sich nicht verabschieden können?
„Viele dieser Patienten haben die meiste Zeit über ihre schlimmsten Ängste im Hinterkopf und sie haben niemanden, mit dem sie darüber sprechen können“, sagt Studienautorin Joanna Arch. „Wenn man dieses Monster aus dem Schrank holt und es beim Namen nennt, verliert es an Macht.“
In fünf einstündigen Sitzungen sollten sich die Patienten ihren Ängsten schriftlich stellen. Dabei sollen sie das Worst-Case-Szenario beschreiben und wie sie sich dabei fühlen. Danach wird abgewogen, wie realistisch dieses Szenario ist und schlussendlich wird geplant, wie man damit umgehen kann oder was man ändern kann, um ein besseres Szenario zu schaffen.
„Die primären Ergebnisse der krebsbedingten Traumasymptome und des FoP verbesserten sich signifikant von der Voruntersuchung bis zu beiden Nachuntersuchungen mit überwiegend großen Effektstärken“, so die Studienautoren. „Die sekundären Endpunkte Angst, Depression, Hoffnungslosigkeit, Angst vor dem Tod/Sterben und Müdigkeit sowie die meisten Prozessmessungen verbesserten sich ebenfalls signifikant.“
Aber warum funktioniert so ein einfaches Mittel so gut? Bereits frühere Forschung konnte zeigen, dass Vermeidungsverhalten oft Ängste verschlimmert und Traumasymptome verstärken kann. Durch das Schreiben beschäftigen sich die Patienten mit ihren Ängsten – und „das Aufzeigen von Lösungen kann auch ermutigend sein“, sagt Arch.
Denn die Lösungen für die ganz großen Ängste können oft einfach sein – wie etwa ein Fotoalbum zu gestalten, damit die Familie einen nicht vergisst, oder einen genauen Plan zu schreiben für denjenigen, der sich nach dem Ableben um das geliebte Haustier kümmert. „Es handelt sich hier um Menschen, die nur noch eine begrenzte Zeit leben werden. Das Zeil ist nicht, ihre Not zu beseitigen – das ist angesichts einer Krebsdiagnose im Spätstadium gar nicht möglich. Aber wir können ihnen helfen, in der ihnen verbleibenden kostbaren Zeit das bestmögliche Leben zu führen“, so Arch.
Die Therapie sei aber nicht für jeden geeignet – es erfordert viel mentale Kraft, sich so intensiv mit seinem eigenen Tod auseinanderzusetzen. Außerdem war die Kohorte sehr klein, es sind also weitere Studien notwendig, um relevante Ergebnisse zu erzielen. Arch hofft, dass die Therapie in Zukunft auch bei anderen unheilbaren Krankheiten wie ALS und anderen neurodegenerativen Erkrankungen erprobt werden kann.
Bildquelle: erstellt mit DALL-E