Der Wissenschaftsrat spricht sich in einer aktuellen Stellungnahme für eine Reform des Medizinstudiums aus und fordert eine Übernahme von in Modellstudiengängen erfolgreich erprobten Grundsätzen in die Curricula der Regelstudiengänge.
Im Medizinstudium solle künftig, so der Wissenschaftsrat, eine an den ärztlichen Rollen und ihren Kompetenzen orientierte Ausbildung an die Stelle der traditionellen Orientierung an Fächern treten. Die Studieninhalte sollten vornehmlich in fächerübergreifenden, organ- und themenzentrierten Modulen vermittelt werden. Durch die Integration vorklinischer und klinischer Inhalte könne so von Beginn des Studiums an die Bedeutung und Anwendung theoretischer Grundlagen für die ärztliche Praxis herausgestellt werden. Die wissenschaftlichen Kompetenzen der angehenden Ärzte zu stärken, sei ein weiterer wichtiger Baustein des künftigen Medizinstudiums und stehe nicht im Widerspruch zu einer versorgungsorientierten Ausbildung. Alle Studierenden sollten künftig im Studium im Rahmen einer obligatorischen Forschungsarbeit ein Problem aus dem Gebiet der Medizin selbstständig nach wissenschaftlichen Methoden bearbeiten. Mit diesen Empfehlungen zur Weiterentwicklung des Medizinstudiums trage der Wissenschaftsrat den wachsenden Anforderungen an den Arztberuf in ständig komplexer werdenden Versorgungssituationen Rechnung, die für die Gesundheitsversorgung aus demographischen und epidemiologischen Veränderungen sowie dem medizinischen Fortschritt resultierten. „Aufbauend auf den Erfahrungen der bestehenden Modellstudiengänge halten wir eine konsequente Weiterentwicklung des Medizinstudiums in Richtung kompetenzorientierter, integrierter Curricula für erforderlich“, so der Vorsitzende des Wissenschaftsrates, Professor Manfred Prenzel. „Ärztinnen und Ärzte müssen im Stande sein, von Patientenproblemen ausgehenden Fragestellungen nachzugehen und evidenzbasierte Entscheidungen zu treffen. Der Erwerb wissenschaftlicher Kompetenzen im Studium ist daher notwendige Voraussetzung für die verantwortungsvolle ärztliche Berufsausübung“, so Manfred Prenzel weiter.
Die Staatsprüfungen seien, so der Wissenschaftsrat, an die Anforderungen kompetenzbasierter und integrierter Curricula anzupassen. Aus Gründen der Qualitätssicherung und Vergleichbarkeit empfiehlt der Wissenschaftsrat zudem eine bundeseinheitliche Zwischenprüfung nach dem sechsten Fachsemester. Diese solle um einen strukturierten klinisch-praktischen Prüfungsteil ergänzt werden, dessen Durchführung in Verantwortung der Fakultäten liegen könne. Die mündlich-praktischen Teile der Ärztlichen Prüfungen bedürften zwingend einer stärkeren Standardisierung. Hinsichtlich der Struktur des Praktischen Jahres werde empfohlen, die Ausbildung künftig in vier Ausbildungsabschnitte zu je 12 Wochen zu gliedern. Diese Quartalsstruktur solle den Studierenden mit zwei Wahlquartalen – neben weiterhin verpflichtenden Ausbildungsabschnitten in Innerer Medizin und Chirurgie – eine größere Wahlfreiheit ermöglichen. Zur Umsetzung der Empfehlungen seien die Approbationsordnung für Ärzte und das Kapazitätsrecht aufeinander abgestimmt weiterzuentwickeln. Die Empfehlungen beruhen, so der Wissenschaftsrat, neben internationalen Erfahrungen und Entwicklungen auf einer erstmaligen Bestandsaufnahme der humanmedizinischen Modellstudiengänge. Bei Einführung der Modellklausel in die Approbationsordnung für Ärzte sei der Übergang von erfolgreich erprobten innovativen Elementen und Strukturen der ärztlichen Ausbildung in eine Weiterentwicklung der Regelstudiengänge nicht geregelt worden. „Insgesamt leisten die Modellstudiengänge einen wesentlichen Beitrag zur Weiterentwicklung des Medizinstudiums in Deutschland“, fasst Manfred Prenzel die übergreifende Bewertung zusammen. „Die Einführung der Modellklausel hat einen kontinuierlichen Veränderungsprozess angestoßen und – auch im Hinblick auf die Reform von Regelstudiengängen – Kreativität und Gestaltungswillen an den Fakultäten freigesetzt. Die Modellklausel kann daher mit Blick auf die in sie gesetzten Erwartungen als Erfolg gewertet werden.“