Die ADHS-Diagnose wird bisher durch psychiatrische Untersuchungen gestellt und ist nicht immer eindeutig. Forscher zeigten nun, dass sich der Eisengehalt im Gehirn von Kindern als Biomarker eignen könnte. Mehr als ein Zufallsergebnis?
„Das Kind bewegt sich nur sehr gerne, es ist nicht krank.“ Mit solchen Aussagen sind Eltern hyperaktiver Kinder häufig konfrontiert. Denn vor allem bei jüngeren Kindern werden ADHS-Diagnosen immer wieder infrage gestellt. Einer Studie zufolge erhalten vor allem jung eingeschulte Kinder immer wieder fälschlicherweise eine ADHS-Diagnose. Doch nicht nur die Diagnose ADHS belastet oft Eltern und Kinder, auch die Medikation sollte nur wohlüberlegt verschrieben werden. Etwa zwei Drittel der ADHS-diagnostizierten Kinder erhalten Ritalin® oder andere Medikamente gegen ihre Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörung. Leiden die Kinder aber gar nicht unter ADHS, könnte eine derartige Medikation langfristige, negative Folgen haben, wie DocCheck kürzlich berichtete. Denn bei Versuchen mit Ratten fanden Wissenschaftler Hinweise darauf, dass Ritalin die Plastizität des heranwachsenden Gehirns und damit langfristig die Lernfähigkeit und Flexibilität des Verhaltens hemmen könnte.
Für die Diagnose der Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörung gibt es bisher keine Biomarker. Sie wird ausschließlich anhand psychiatrischer Untersuchungen erstellt und unterliegt damit auch der subjektiven Einschätzung durch den Kinder- und Jugendpsychiater. Wissenschaftler wollten nun zeigen, dass sich der Eisengehalt in bestimmten Hirnregionen dazu eignen könnte, gesunde Menschen von Menschen mit ADHS zu unterscheiden. Der Hintergrund: Wissenschaftler vermuten, dass ADHS entsteht, wenn dem Gehirn zu wenig Dopamin zur Verfügung steht. Außerdem ist bekannt, dass die Dopamin-Konzentration im Gehirn mit der Eisenkonzentration korreliert. Aufgrund dieser Erkenntnisse prüften die Forscher, ob sich die Menge an Eisen im Gehirn – und auch im Blut – als ADHS-Marker eignen könnte.
An der Studie nahmen zwölf Kinder und Jugendliche mit unbehandeltem ADHS, zehn ADHS-Patienten, die Ritalin erhielten und 27 gesunde Kontrollpersonen im Alter von 8 bis 18 Jahren teil. Bei allen Teilnehmern wurde der Eisengehalt im Gehirn mittels MRT gemessen. Zusätzlich ermittelten die Wissenschaftler auch den Eisengehalt im Blut der Studienteilnehmer. Wie erwartet, fanden die Forscher bei der Gruppe der nicht behandelten Kinder und Jugendlichen weniger Eisen im Gehirn als bei den behandelten Erkrankten und der Kontrollgruppe. Das war in allen vier gemessenen Hirnregionen (Globus pallidus, Nucleus caudatus, Putamen und Thalamus) der Fall. Die für die Messung der geringen Mengen an Eisen notwendige Technik ist relativ neu und wurde von den Co-Autoren der Studie Joseph Helpern und Jens Jenson im Jahr 2006 entwickelt.
Die tatsächliche Aussagekraft der Studienergebnisse bleibt zum jetzigen Zeitpunkt zweifelhaft. Bei einem Studienkollektiv von nur 49 Teilnehmern und einer breiten Altersverteilung zwischen acht und 18 Jahren ist die Wahrscheinlichkeit von Artefakten und Zufallsergebnissen signifikant hoch, etwa durch begleitende Eisenmangelanämien. Hinzu kommt, dass verschiedene Autoren zwar einen Zusammenhang zwischen der Eisen-Konzentration im Gehirn und der ADHS-Entstehung prognostizieren, die zugrundeliegenden Pathomechanismen jedoch nicht geklärt sind. Bis zum wissenschaftlich validierten Biomarker Eisen bei ADHS ist es also noch ein weiter Weg. Auch die Studienautoren bleiben deswegen vorsichtig: „Bei unserer Studie handelt es sich um erste Versuche in diese Richtung. Aufgrund von Untersuchungen an nur zwölf Patienten mit ADHS können wir natürlich noch keine allgemeingültigen Aussagen treffen. Dennoch legen unsere Ergebnisse nahe, dass Eisen ein wichtiger Biomarker für ADHS sein könnte“, so Adisetiyo. Grundsätzlich ist fraglich, ob es sich wegen der geringen Aussagekraft überhaupt lohnt, derart kleine Studien zu finanzieren.