Die CAR-T-Zelltherapie ist eine der modernsten onkologischen Therapien. Sie wird bei immer mehr Erkrankungen angewandt – doch sie hat auch ihre Schattenseiten. Ein Überblick.
Bei der CAR-T-Zelltherapie werden T-Zellen des betreffenden Patienten außerhalb des Körpers gentechnologisch so verändert, dass sie krankheitsspezifische Antigenrezeptoren – den namensgebenden CAR (chimeric antigen receptor) – exprimieren. Zur Anwendung kommen CAR-T-Zellen bislang vor allem in der Behandlung hämatoonkologischer Erkrankungen, da diese im Vergleich zu soliden Tumoren häufig spezifischere Oberflächenproteine exprimieren und zudem von den T-Zellen leichter erreicht werden können. Die historisch erste CAR-T-Zelltherapie richtete sich gegen das B-Lymphozytenantigen CD19: 2012 erhielt die damals 6-jährige Emily Whitehead als erste Patientin weltweit eine CAR-T-Zelltherapie auf Grund ihrer rezidivierten und refraktären akuten lymphatischen Leukämie (ALL) und befindet sich seitdem in einer kompletten Remission.
Der Prozess von der Gewinnung der T-Zellen über die Herstellung der CAR-T-Zellen bis hin zur Anwendung im Patienten ist allerdings komplex, langwierig und kostenintensiv (> 300.000 € pro Anwendung pro Patient). Zuerst müssen mittels Leukapherese Leukozyten aus dem peripheren Blut der Patienten gewonnen und die T-Zellen separiert werden. Diese werden dann biotechnologisch aktiviert, aufbereitet und mittels eines geeigneten Vektors mit der genetischen Information zur Expression des CAR versehen. Dies erfolgt im Regelfall nicht vor Ort in der Klinik, sondern beim jeweiligen Hersteller, teilweise im Ausland. Bevor die CAR-T-Zellen schließlich kryokonserviert aus dem Produktions- wieder im Behandlungszentrum eintreffen, vergehen so mehrere Wochen. Je nach Erkrankungssituation benötigen die Patienten somit gegebenenfalls eine Bridging-Therapie bis zum Einsatz der CAR-T-Zelltherapie. Vor Re-Infusion der gentechnisch veränderten T-Zellen ist eine lymphodepletierende Konditionierungstherapie mit z. B. Cyclophosphamid und Fludarabin notwendig, um optimale „Lebensbedingungen“ für die wiedergegebenen CAR-T-Zellen zu schaffen.Ablauf der CAR-T-Zelltherapie. Credit: DocCheck, erstellt mit Biorender.com
Aktuell sind die folgenden sechs Präparate zur CAR-T-Zelltherapie zugelassen. Zu den Indikationen zählen ausschließlich lymphatische, hämatoonkologische Erkrankungen. Als Targets dienen CD19 oder BCMA.
Darüber hinaus laufen weltweit zahlreiche klinische Studien zu neuen Präparaten bzw. Indikationen, insbesondere auch hier natürlich im Bereich der Hämatoonkologie. Aber auch in der soliden Onkologie wird die CAR-T-Zell-Therapie überall dort evaluiert, wo tumorspezifische Oberflächenantigene identifiziert werden können (bspw. PSMA für Prostatakarzinome oder Claudin-18.2 für Magen- oder allgemeiner gastrointestinale Karzinome). Bereits im vergangenen Jahr auf dem ESMO wurden zudem Daten eines weiteren experimentellen Ansatzes vorgestellt, bei welchem ein CAR-T-Zell-verstärkender RNA-Impfstoff zum Einsatz kommt.
Zudem werden CAR-T-Zellen mittlerweile als experimentelle Therapieansätze auch in anderen Fachbereichen mit guten Ergebnissen zur Behandlung von Autoimmunerkrankungen angewandt, wie zum Beispiel systemischer Sklerose und systemischem Lupus oder auch in der Neurologie bei Myasthenia gravis. Weitere Forschung beschäftigt sich mit allogenen CAR-T-Zellen, also solchen, die aus dem Blut von Fremdspendern hergestellt werden. Diese Möglichkeit würde einerseits die industrielle Produktion beschleunigen und ggf. Therapiekosten reduzieren. Andererseits wäre jedoch auch mit neuen klinischen Problemen wie einer Graft-versus-Host-Disease (GvHD) zu rechnen.
Selbstverständlich birgt eine so potente Therapie wie die CAR-T-Zelltherapie auch mögliche Nebenwirkungen, von denen zwei besonders gefährlich sein können und auch regelhaft auftreten: das Cytokine Release Syndrome (CRS) und das Immuneffektorzell-assoziierte Neurotoxizitätssyndrom (immune effector cell-associated neurotoxicity syndrome; ICANS).
Beim CRS, dessen Inzidenz bei der Behandlung mit CAR-T-Zellen teils bei > 90 % liegt, kommt es in Folge der in vivo-Aktivierung der modifizierten T-Zellen zu einer teils heftigen systemischen Immunreaktion. Deren klinische Präsentation reicht von leichten grippe-ähnlichen, febrilen Beschwerden bis hin zu schweren Krankheitsbildern mit hohem Fieber, Hypotonie und/oder respiratorischer Insuffizienz. Dabei ist das CRS im Wesentlichen eine Ausschlussdiagnostik und muss von anderen Differentialdiagnosen, insbesondere einem infektiösen bzw. septischen Geschehen bei hochgradig immunsupprimierten Patienten abgegrenzt werden. Daher wird in aller Regel bei Auftreten eines CRS mit einer empirischen antibiotischen Therapie begonnen. Darüber hinaus werden je nach Schweregrad und Klinik weitere symptomatische, antipyretische oder ggf. auch intensivmedizinische Maßnahmen notwendig. Bei spezifischeren Therapieoptionen kommen zur Behandlung der dysregulierten Immunantwort Dexamethason und der Interleukin-6 (IL-6)-Antikörper Tocilizumab zum Einsatz.
Das ICANS ist ebenfalls ein sehr heterogenes Syndrom verschiedener neurologischer Symptome, die mit einer Latenz von einigen Tagen, selten auch später, auftreten können. Der typische Zeitraum der Manifestation sowie die Dauer der Symptome sind abhängig vom verwendeten CAR-T-Zell-Präparat. Wenngleich der konkrete Pathomechanismus nicht abschließend geklärt ist, so legt doch bereits seine Bezeichnung nahe, dass es sich bei dem ICANS ähnlich dem CRS um eine überschießende Immunreaktion im ZNS handelt. Das ICANS ist letztlich ebenfalls eine Ausschlussdiagnose. Neben unspezifischen Symptomen wie Kopfschmerzen kann es sich auch in Form von deutlichen neurologischen Beschwerden (Apraxie, Aphasie, Delir, kognitive Einschränkungen) präsentieren, bis hin zu lebensbedrohlichen Notfällen (epileptische Anfälle, Hirnödem).
Therapeutisch sind beim Auftreten eines ICANS ebenfalls ein engmaschiges Monitoring sowie symptomatische oder intensivmedizinische Therapien notwendig und ggf. je nach Schweregrad auch hier immunsuppressive Maßnahmen mittels Kortikosteroiden oder Tocilizumab. Zur frühzeitigen Detektion eines ICANS hat sich u. a. der mindestens zweimal täglich zu erhebende ICE (Immune Effector Cell-associated Encephalopathy)-Score bewährt: Hier werden dem Patienten mehrere kurze und grundsätzlich simple kognitive und praktische Aufgaben gestellt. Aus der vom Patienten erreichten Punktzahl im ICE-Score lässt sich schließlich der Schweregrad des ICANS ableiten. Ein sehr sensitiver Bestandteil dieses Scores ist eine Schriftprobe, bei der die Patienten aufgefordert werden, einen vor Beginn der Behandlung selbst gewählten Satz immer wieder aufzuschreiben. Im Rahmen eines (beginnenden) ICANS zeigen sich bereits frühzeitig Veränderungen im Schriftbild.
Im Gegensatz zu den akuten Toxizitäten der CAR-T-Zelltherapie gehören zu den längerfristigen Nebenwirkungen vor allem B-Zelldepletion, Zytopenie und damit konsekutiv einhergehende Infektionen. Dafür sehen wir andererseits aber auch ein teils langfristiges onkologisches Ansprechen, v. a. bei anti-CD19-CAR-T-Zellen, mit – je nach Studie – kompletten Remissionsraten von fast bis zu 70 % über mehrere Jahre. Manche Patienten können gar nach aktuellem Stand als geheilt gelten (s. Emily Whitehead), wenngleich wissenschaftliche Daten zum Langzeit-Outcome über mehrere Jahre oder gar Jahrzehnte naheliegenderweise nur begrenzt vorliegen.
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