Ein erbsengroßes Gerät könnte bei Depression da ansetzen, wo Medikamente scheitern. Was genau kann das Implantat?
Ein neuer implantierbarer Hirnstimulator könnte die Behandlung psychiatrischer und neurologischer Erkrankungen vereinfachen. Das Gerät in Erbsengröße – ein „Digitally programmable Over-brain Therapeutic“ (DOT) – unterscheidet sich nicht nur größentechnisch von vergleichbaren Geräten, sondern wird zudem auch drahtlos über einen externen Sender mit Energie versorgt. So soll direkt durch die Dura das Gehirn stimuliert werden. Es wären also keine Batterien mit Verkabelung nötig, die bei ähnlichen Geräten zum Einsatz kommen. Das würde das Einsetzen des Implantats vereinfachen.
In einer neuen Studie, die im Fachjournal Science Advances veröffentlicht wurde, demonstrierten Forscher die Funktionsweise des DOT-Geräts, indem sie gezielt den motorischen Cortex eines Patienten aktivierten, was zu einer Muskelreaktion führte. Auf diese Weise sollen verschiedene Teile des Gehirns stimuliert werden, um die Exekutivfunktionen bei Personen mit Depression oder anderen Störungen zu verbessern.
Den Strom bekommt das Implantat durch die Umwandlung von magnetischen Feldern in elektrische Impulse. Das 9 mm breite Gerät kann dadurch mit einer Stärke von bis zu 14,5 Volt feuern. Für mache Krankheiten wie beispielsweise Epilepsie müsste ein solches Gerät dauerhaft eingeschaltet sein. Bei anderen Erkrankungen wie Depression oder Zwangsstörungen reichen aber bereits eine Stimulation von wenigen Minuten pro Tag, um die gewünschten Ergebnisse zu erzielen. Patienten können sie dabei selbst steuern, durch einen einfachen Klick auf dem Smartphone. Die Forscher haben DOT nur kurzzeitig am Menschen getestet – nämlich für die Stimulation des Motorcortex. An Schweinen konnten sie aber eine stabile Verbindung zum Hirn über 30 Tage nachweisen.
Das DOT wird minimalinvasiv in den Knochen über dem Hirn implantiert. Das soll ca. 30 Minuten dauern, sodass Patienten am selben Tag noch nach Hause gehen können. Weil der Eingriff dadurch „kleiner“ wirkt, könnte das für eine größere Akzeptanz sorgen. Sameer Sheth, Professor am Baylor College of Medicine und Teil des Forschungsteams, zieht in einem Interview einen Vergleich zwischen DBS und Herzschrittmachern. Während Herzschrittmacher ein etablierter Teil der Herz-Gesundheit seien, würden Geräte zur DBS noch als sehr unheimlich und invasiv gesehen werden. „DBS ist eigentlich ein recht sicheres Verfahren, aber es handelt sich immer noch um eine Hirnoperation und das wahrgenommene Risiko wird die Zahl der Menschen, die bereit sind, sich darauf einzulassen, und die davon profitieren können, sehr gering halten.“
Das Unternehmen, das hinter DOT steht, Motif Neurotech, versucht derzeit eine FDA-Zulassung für eine langfristige klinische Studie zu beantragen. Die Entwickler hoffen in Zukunft an Patienten angepasste Therapien anbieten zu können, die auf der individuellen Hirnchemie basieren. Die Neurostimulation könne so dort ansetzen, wo Nebenwirkungen und mangelnde Wirksamkeit medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten einschränkt.
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