Der Zusammenhang zwischen Demenz und Bluthochdruck ist seit Jahren bekannt. Aber kann eine medikamentöse Behandlung der arteriellen Hypertonie wirklich das Demenz-Risiko senken? Hier gibt’s die aktuellen Infos.
Menschen, die chronisch zu hohe Blutdruckwerte haben, erkranken häufiger an Demenz, so die aktuelle Datenlage. Eine Anfang 2020 publizierte Studie kam zu dem Ergebnis, dass die erfolgreiche medikamentöse Einstellung einer arteriellen Hypertonie das Demenz-Risiko um 12 % und das Risiko, an Alzheimer zu erkranken, sogar um 16 % senken kann. Eine aktuelle italienische Studie aus dem Jahr 2024 bestätigt, dass ältere Erwachsene, selbst über 80-Jährige, die blutdrucksenkende Medikamente einnehmen, ein geringeres Demenzrisiko haben.
In ihrer Fall-Kontroll-Studie, aktuell erschienen im Fachmagazin JACC, untersuchten Rea und Kollegen eine Kohorte von 215.547 Patienten aus der Lombardei, Italien, im Alter von 65 Jahren oder älter, die zwischen 2009 und 2012 mit der Einnahme einer antihypertensiven Medikation begannen. In der Kohorte wurde bei 13.812 Personen (Durchschnittsalter 77,5 Jahre; 60 % weiblich) über einen durchschnittlichen Nachbeobachtungszeitraum von 7,3 Jahren eine Demenz oder eine Alzheimer-Erkrankung diagnostiziert. Jeder Fall mit einer Diagnose von Demenz oder Alzheimer wurde hinsichtlich Alter, Geschlecht und klinischem Status mit fünf Kontrollpersonen abgeglichen. Die meisten Patienten (80 %) begannen mit einem einzelnen Medikament, am häufigsten einem Renin-Angiotensin-Systemblocker. Wenn ein anderes Medikament hinzugefügt wurde, handelte es sich typischerweise um ein Diuretikum.
Die Forscher berechneten die Höhe der Exposition anhand des Anteils der abgedeckten Tage (PDC) gegenüber der Nachbeobachtung. Als Referenzgruppe dienten Patienten mit einer sehr geringen Exposition (PDC ≤ 25 %) gegenüber Antihypertensiva. Höhere Expositionen mit antihypertensiven Medikamenten waren linear mit einem zunehmend geringeren Demenzrisiko verbunden. Im Vergleich zu Patienten mit sehr geringer Exposition wiesen diejenigen mit niedriger, mittlerer und hoher Exposition eine Risikominderung von 2 % (95 %-KI: −4 % bis 7 %), 12 % (95 %-KI: 6 %–17 %) und 24 % (95 % KI: 19 %–28 %) auf.
Während der Grad des Nutzens unterschiedlich ausfiel, wurden unabhängig vom Geschlecht bei Patienten ab 85 Jahren sowie bei Patienten, die als gebrechlich galten, und bei der separaten Analyse von Patienten mit Demenz und Alzheimer Erkrankung die gleichen allgemeinen Muster beobachtet. In der älteren Bevölkerungsgruppe war eine blutdrucksenkende medikamentöse Behandlung mit einem geringeren Demenzrisiko verbunden. Dies war auch bei sehr alten und gebrechlichen Patienten der Fall, resümieren die Autoren der Studie. Einschränkend sei allerdings, dass die Beobachtungsdaten keinen Rückschluss auf den Mechanismus geben können. Sie stützen aber die Argumente für diesen Zusammenhang, so die Meinung von Rea et al.
Eine Stärke der Studie ist die hohe Patientenzahl. Als Limitationen der Studie ist zu nennen, dass keine weiteren Informationen zu der Höhe der Blutdrucksenkung gegeben werden. Zukünftige Studien sollten prüfen, welche Höhe der Blutdrucksenkung und nicht nur das Ausmaß der eingenommenen blutdrucksenkenden Medikamente den größten Schutz bietet.
Forscher vom National Institute of Neurological Disorders and Stroke, Bethesda, sind sich in einem begleitenden Leitartikel ebenfalls einig, dass „so spannend diese Ergebnisse auch erscheinen, noch Fragen offenbleiben.“ Sie weisen darauf hin, dass es in der Studie an Angaben zum Anteil der Patienten mangele, die die angestrebten Therapieziele erreicht hätten. „Informationen über Blutdruckwerte können besonders bei älteren Erwachsenen wichtig sein, die häufiger Blutdruckschwankungen aufweisen, die auf altersbedingte Veränderungen zurückzuführen sind, einschließlich einer Steifheit großer Arterien und einer autonomen Instabilität“, schreiben die Redakteure. „Darüber hinaus sei unklar, inwieweit die Adhärenzraten bei blutdrucksenkenden Medikamenten bei älteren Patienten zuverlässig anhand des Anteils der durch Rezepte abgedeckten Tage quantifiziert werden könne.“
Trotz der kritischen Stimmen zu der aktuellen Studie von Rea et al. reiht sich die Erkenntnis, dass eine Blutdrucksenkung das Demenzrisiko verringern kann, in die bislang bekannte Datenlage nahtlos ein. Eine wichtige ergänzende Information ist, dass dies auch für hochbetagte Patienten zu gelten scheint. Die Ergebnisse unterstreichen, wie wichtig es ist, auch bei älteren Patienten einen bestehenden Bluthochdruck zu behandeln. Dies deckt sich mit den Empfehlungen der aktuellen Leitlinien zur Behandlung einer arteriellen Hypertonie. Auch diese raten im hohen Alter zu einer intensiven Blutdrucksenkung, soweit diese vertragen wird.
Ding J, Davies-Plourde KL, Sedaghat S et al. Antihypertensive medications and risk for incident dementia and Alzheimer´s disease: a meta-analysis of individual participant data from prospective cohort studies. Lancet Neurology 2020; 19: 61–70.
Rea F et al. Risk of Dementia During Antihypertensive Drug Therapy in the Elderly. J Am Coll Cardiol 2024;83:1194–1203. https://doi.org/10.1016/j.jacc.2024.01.030.
Wright CB, Egle M. Rethinking Blood Pressure Treatment and Dementia Risk in Older Adults: Is Adherence the Holy Grail? J Am Coll Cardiol. 2024 Apr 2;83(13):1204–1206. doi: 10.1016/j.jacc.2024.02.021.
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