Auch ältere Patienten profitieren von einer antihypertensiven Therapie. Warum es dabei gewisse Fallstricke – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes – zu beachten gilt, erfahrt ihr hier.
Zum hohen Sturzrisiko von gebrechlichen alten Menschen kann auch die Medikation beitragen – vor allem dann, wenn eine Therapie neu initiiert wird. Das gilt auch für Antihypertensiva, berichten Ärzte um Dr. Chintan Dave von der Universität in New Brunswick. In ihrer Analyse unter US-Veteranen aus Pflegeeinrichtungen war die Frakturrate im ersten Monat mit neu verordnetem Blutdrucksenker mehr als verdoppelt, bei Demenzkranken sogar mehr als verdreifacht. Da Antihypertensiva zu den am häufigsten im Alter verordneten Medikamenten zählen, tragen sie erheblich zu einem arzneimittelbedingten Sturzrisiko und gravierenden Frakturen unter gebrechlichen Menschen bei, so das Fazit der Autoren.
Für ihre Analyse hat die Forschergruppe Angaben von knapp 30.000 ehemaligen Militärangehörigen aus einer Datenbank der Veteranenversicherung ausgewertet. Alle waren zwischen 2009 und 2019 in US-Pflegeeinrichtungen betreut worden. Es handelte sich fast ausschließlich um Männer. Für die Auswertung ausgewählt wurden rund 13.000 Fälle, in denen die Veteranen ein zusätzliches antihypertensives Medikament bekamen. Dazu zählten Männer mit bestehender, stabiler Therapie, die zur Intensivierung einen weiteren Blutdrucksenker erhielten, sowie solche, die zuvor keine antihypertensive Behandlung erhalten hatten. Nicht berücksichtigt wurden Patienten, die auf einen anderen Blutdrucksenker umgestellt wurden.
Bei den Fällen mit einer neu begonnenen Blutdrucksenker-Therapie stellte das Team die vierfache Zahl an Sturz-Episoden gegenüber Veteranen fest, die gerade kein neues Antihypertensivum erhielten. Die Betroffenen beider Gruppen stimmten dabei in allen relevanten Punkten (Alter, Medikation zu Beginn, Gebrechlichkeit, Begleiterkrankungen, Blutdruck) möglichst überein. Die Forscher verglichen anschließend die Frakturrate im ersten Monat nach Beginn der neuen Blutdrucksenker-Therapie mit der in einem 30-Tages-Kontrollzeitraum ohne Therapieneustart. Sie untersuchten alle sturztypischen Frakturen wie Hüftfrakturen und Frakturen des Oberarmknochens, der Ulna oder des Radius, sofern sie einen chirurgischen Eingriff erforderten. Die Männer in beiden Gruppen waren im Mittel 78 Jahre alt, 60 % nahmen bereits Betablocker, 39 % ACE-Hemmer, ebenso viele Schleifendiuretika und 28 % einen Dihydropyridin-Kalziumkanalblocker.
Es zeigte sich, dass es unter neu verordneten Blutdrucksenkern im ersten Monat, hochgerechnet auf 100 Personenjahre, zu 5,4 Frakturen verglichen mit 2,2 Frakturen in der Kontrollgruppe kam. Unter Berücksichtigung sämtlicher Begleitfaktoren war das Frakturrisiko nach dem Neustart um den Faktor 2,4 höher als in der Kontrollgruppe. Das Risiko für Stürze, die eine Notarztversorgung oder eine Klinikaufnahme erforderten, war in der Gruppe mit dem antihypertensiven Therapieneustart in etwa verdoppelt (Hazard Ratio, HR = 1,8), ebenso das Risiko für Schädelhirntraumata und andere Frakturen (HR = 2,3). Nach 90 Tagen ergab sich in der Startergruppe noch immer ein erhöhtes Frakturrisiko (HR = 1,7).
Wurde nach Demenzerkrankungen differenziert, ließ sich für Männer ohne Demenz lediglich ein numerisches, aber kein statistisch signifikant erhöhtes 30-Tage-Frakturrisiko nach einem Therapiestart berechnen (HR = 1,6), für solche mit Demenz jedoch ein mehr als dreifach signifikant erhöhtes Risiko (HR = 3,3). Knapp fünffach erhöht war das Risiko, wenn die Männer zuvor keine Antihypertensiva einnahmen (HR = 4,8). Auch für Veteranen mit anfangs erhöhten Blutdruckwerten (über 140/80 mmHg) deutete sich ein gesteigertes Frakturrisiko im ersten Monat nach Therapiestart an.
Eine Stärke der Studie ist die hohe Anzahl an Patienten. Als Schwäche ist das sehr spezielle Patientenkollektiv zu nennen, da es sich fast ausschließlich um männliche Veteranen handelt. Dies erschwert eine Generalisierbarkeit der Daten. Nichtsdestotrotz liefert die Studie wichtige Hinweise darauf, dass eine Einleitung oder Umstellung der antihypertensiven Therapie bei Hochbetagten mit Bedacht und unter engmaschiger Blutdruckkontrolle erfolgen sollte, um das Sturzrisiko nicht zu erhöhen. Auch im hohen Alter schützt eine Blutdruckbehandlung die Patienten vor den Folgen der Hypertonie wie etwa einem Schlaganfall. Zuletzt hatte die STEP-Studie gezeigt, dass die Senkung des systolischen Blutdrucks auf einen Zielwert von 100–130 mm Hg das Sterberisiko von Senioren senken kann. Die Leitlinien raten deshalb auch im hohen Alter zu einer intensiven Blutdrucksenkung.
Bildquelle: Manthan Gajjar, Unsplash