Die Picknickerin, die Umweltbewusste oder die Nesthockerin – kennt ihr schon diese MFA-Typen? Wer einem beim Bewerberinnen-Casting sonst noch so begegnen kann, lest ihr in meiner kleinen Typenkunde.
Artikel von Dr. med. Alexander Gerschanik
Kennt ihr das – bestimmt, wer kennt das nicht?! – dieses leichte Zittern in den Knien, das flaue Gefühl im Bauch, die trockene, am Gaumen klebende Zunge, das schneller schlagende Herz? Die Ungewissheit und die Spannung, kurz vor dem ersten Kennenlernen? Das Warten, das sich wie eine Ewigkeit zieht? Die Gedanken, was man sagen, wie man sich verhalten soll, um einen guten Eindruck zu hinterlassen?
Nein, nein, das ist alles keine Übertreibung, das ist doch ganz normal, wenn man sich im Zeitalter der um sich greifenden Arbeiterlosigkeit auf ein Bewerbungsgespräch für, sagen wir, eine offene MFA-Stelle vorbereitet. Ja, so ein Bewerbungsgespräch mit einer Vertreterin der Generation Z (Hand aufs Herz, ein männlicher MFA ist mir bisher noch nicht untergekommen – also belasse ich es vorerst beim generischen Femininum) kann ganz schön anspruchsvoll sein. Schließlich sind wir es ja in Wirklichkeit, die um die knappen Bewerberinnen werben und balzen. Und die Konkurrenz ist bekanntlich groß und schläft nicht. Über solche Späßchen wie der berüchtigten Frage nach den eigenen Schwächen – pardon, Entwicklungsfeldern – sind wir längst drüber weg. Und, um ehrlich zu sein: Es ist nicht allzu schade drum.
Nam et ipsa scientia potestas est – Wissen ist Macht. Und dieses Wissen möchte ich euch keineswegs vorenthalten, wir sitzen ja schließlich im gleichen (Praxis-)Boot. Wir müssen wissen, mit wem wir es zu tun haben, um erfolgreich zu sein.
Also, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, meine kleine Typenkunde:
„Es ja gut und schön, was Sie hier machen. Aber wie ist es denn mit den Benefits bestellt? Die Arbeitnehmerin von heute erwartet das schließlich. Come on, was ist denn alles im Obstkorb enthalten? Hoffentlich Bio? Wie, der Tankgutschein ist nur 50 Euro?! Ach so, steuerlich nicht anders möglich, na dann. Aber wenigstens ein Dienstradleasing?“ Da die meisten Bewerberinnen doch recht jung sind, ist Social Freezing wenigstens kein Thema.
„Bevor wir hier weiter quatschen – wie halten Sie es eigentlich mit den ESG-Kriterien? Und mit Diversity? Was?! Das haben Sie noch nie gehört, was sind Sie denn für einer? Also, für Sie zum Mitschreiben: Unter ESG-Kriterien versteht man die Berücksichtigung von Kriterien aus den Bereich Umwelt (Environmental), Soziales (Social) und verantwortungsvolle Unternehmensführung (Governance). Na, wenn Sie für E und S keinen Plan haben, wird das auch mit G nichts. Tschööö.“
„Sagens, wie ist Ihre Home-Office-Regelung? Doch, doch, die muss es bei Ihnen auch geben, schließlich gehört sie zu jedem modernen Arbeitsplatz. Geben Sie sich endlich Mühe! Ade!“
Die größte Gruppe, die sich in viele unterschiedliche Untergruppen einteilen lässt. Allen ist jedoch gemeinsam, dass ihr nie, niemals, unter keinen Umständen die Verfasserin zu Gesicht bekommen werden. Die Bewerbung ist an und für sich ganz passabel (in der Not frisst der Teufel … ihr wisst schon) oder auch nicht, manchmal ist nur der unverfängliche Lebenslauf dabei. Nur – jede verschickte E-Mail, jeder Brief, jeder Anruf bleibt unbeantwortet, egal wie oft wiederholt. Alles endet einfach im Nirvana. Ob das für das Karma der Verfasserin so gut ist?
Diese Bewerbung hat den weitesten Weg hinter sich. Von Taschkent oder Teheran bis Bogotá ist alles dabei. Hier kommen ausnahmsweise auch männliche Bewerber vor. In der Regel mit abgeschlossenem Medizinstudium und Berufserfahrung. Die Armen wissen wohl nicht, dass sie in Deutschland nicht mal den Pflegehelferberuf ausüben dürften. Die Berufsanerkennung/Angleichung dauert Jahre, viele Jahre. Wir sind ja schließlich in Deutschland. Ordnung muss sein.
Selten, aber auch dieser Fall passiert: brennt für den Beruf, wohnt in der Nähe, ist bodenständig und passt gut ins Team. Dieser Fall ist erfahrungsgemäß viel seltener als die ersten 5. Man will es kaum glauben, wenn es so weit ist. Aber auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn.
Viel Erfolg beim Bewerberinnendating!
Bildquelle: Symbolbild erstellt mit Midjourney