Die letzten Studien des Gesundheitsministeriums zur Spielsucht entfachten eine hitzige Debatte unter Experten, Politikern und Betroffenenverbänden. Während die Untersuchungen darauf abzielen, neue Erkenntnisse über das Ausmaß und die Ursachen der Spielsucht in Deutschland zu liefern, stoßen die Methoden und Schlussfolgerungen der Studie auf Widerstand. Kritiker bemängeln vor allem die wissenschaftliche Vorgehensweise und die Interpretation der Daten, was Fragen zur Validität der Ergebnisse aufwirft. Diese Kontroverse wirft ein Schlaglicht auf die komplexe und oft unterschätzte Problematik der Spielsucht.
Der " Glücksspielsurvey 2023", herausgegeben vom Institut für interdisziplinäre Sucht- und Drogenforschung (ISD Hamburg) in Zusammenarbeit mit der Arbeitseinheit Glücksspielforschung der Universität Bremen, beleuchtet die Glücksspielgewohnheiten und die Prävalenz von Glücksspielstörungen in Deutschland. Die Studie, die eine kombinierte Telefon- und Online-Befragungsmethodik nutzte, zeigt, dass ein signifikanter Anteil Glücksspiele spielt.
Sie hebt hervor, dass 2,4% der Bevölkerung eine Glücksspielstörung (leichte bis schwere Spielsucht) aufweisen, was ungefähr 1,9 Millionen Personen entspricht. Zudem ergaben sich bei 6,3% der Spielteilnehmer „Störungen durch Glücksspiel“ sowie bei 16,3% riskantes Spielverhalten. Im Vergleich zum Gesundheitssurvey 2021 ist der Anstieg marginal (2,3% Betroffene mit einer Glückspielstörung).
Scheinbar brisante Veränderungen seit 2019: Liegt es am Studiendesign?
Doch ein Blick auf die Erhebung von 2019 ergibt nahezu alarmierende Veränderungen: Damals wurden gerade einmal 0,73% als pathologische Glücksspieler oder problematische Glücksspieler klassifiziert. Ein Vergleich zwischen 2019 und 2021 also eine Verdreifachung der Fallzahlen. Diese Problematik wurde auf dem Branchenportal onlinecasinosdeutschland.com aufgegriffen. Fachleute und Politiker haben teils deutliche Kritik geübt.
Hier die Hauptgründe:
Zuständigkeit für Durchführung der Studie änderte sich zwischenzeitlich
Die Suchtexpertin Simone Borchardt (CDU) erklärte dazu, dass die Neutralität der Forschenden nicht zweifelsfrei zu klären sei. Vielmehr käme bei ihr der Verdacht auf, dass es Absprachen zwischen den Studienerstellern und dem Bundesgesundheitsministerium gegeben habe.
Zur Erklärung: Das Gesundheitsministerium unter Karl Lauterbach (SPD) hatte das Gesundheits-Survey im Jahr 2021 erstmals nicht mehr von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), sondern vom Hamburger Institut für interdisziplinäre Sucht- und Drogenforschung (ISD) und der Universität Bremen durchführen lassen.
Methodische Mängel bei der Durchführung der Studie
Die Statistikerin Katharina Schüller hatte bereits im letzten Jahr ein Gutachten zur Erhebung von 2021 gemacht und dabei auf methodische Mängel hingewiesen. Es fehle an der nötigen Repräsentativität und zudem habe es auch Mängel im Bereich der Datenerhebung sowie Datenauswertung gegeben, hieß es in dem Gutachten.
Werden aus fehlerhaft erstellen Studien politische Entscheidungen abgeleitet, kann es am Ende zu Fehleinschätzungen und damit Fehlentscheidungen kommen.
Der Kern des Problems: Laut dem Gutachten von Frau Schüller lassen sich Daten aus den alten Erhebungen der BZgA und die der neuen Surveys durch das ISD nicht so einfach vergleichen. Wer also herausliest, dass sich die Fälle von Spielsucht in Deutschland zwischen 2019 und 2021 verdreifacht hätten, stellt also einen Zusammenhang zwischen den Daten her, der aufgrund unterschiedlicher Methodiken eventuell gar nicht besteht.
In einem Video-Beitrag erwähnte WELT-Autorin Elke Bodderas, dass die erhobenen Daten nicht transparent seien und nicht herausgegeben würden. Demnach sei eine klare Einschätzung Lage schwierig. Auf der einen Seite wäre es hochproblematisch, wenn die Zahlen im Bereich Spielsucht
tatsächlich so stark angestiegen sind. Andererseits sei dies jedoch wenig plausibel und deute eher darauf hin, dass die Studie eher ein politisch gewünschtes Ergebnis erziele, um damit Politik zu machen. Im Raum stünden dabei zum Beispiel Werbeverbote für Sportwettenbetreiber und weitere regulatorische Schritte für Glücksspiel-Anbieter generell.
Die Spielsucht-Studien im Rahmen des Glückspielsurveys haben in der politischen Welt aber auch unter Fachleuten heftige Diskussionen ausgelöst. Da mit den Studienergebnissen auch politische Entscheidungen gerechtfertigt werden sollen, bleibt abzuwarten, ob hier die Forschung in Zukunft eher noch intensiviert wird. Gerade betroffene Glückspielanbieter oder Wettanbieter werden sich gegen weitere Beschränkungen auf Basis angreifbarer Studien sicherlich zur Wehr setzen. Mit entsprechenden Erhebungen ist also letztlich keinem geholfen: Entweder ein Problem wird größer gemacht als es ist – mit den entsprechenden Nachteilen für Akteure im Markt. Oder ein tatsächlicher Anstieg der Spielsucht kann nicht entsprechend politisch beantwortet werden, weil die Studien dazu in Zweifel gezogen werden.