Die richtige Ernährung macht nicht nur für uns Menschen den Unterschied – auch für das Klima und das 1,5-Grad-Ziel ist es entscheidend. Wie das optimale Mittagessen für die Weltrettung aussieht, erfahrt ihr hier.
Der den Klimawandel beschleunigende anthropogene Einfluss – etwas unglücklich als Menschen-gemachter Klimawandel bezeichnet – hat eine Vielzahl von Facetten. Das sensible Dreieck aus Klima, Ernährung sowie humaner und planetarer Gesundheit war eines der Themen auf dem Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) vom 13. bis 16. April in Wiesbaden. Über die Dringlichkeit einer globalen Agrar- und Ernährungstransformation hin zu einer stark pflanzenbasierten Ernährung, die via Verringerung von Treibhausgas-Emissionen und Erhöhung der CO2-Entnahme der Gesundheit des Menschen und des Planeten gleichermaßen zugutekommt, referierte Prof. Hermann Lotze-Campen, Leiter des Forschungsbereich Klimaresilienz am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.
Neben politischen Hebeln wie der Bepreisung von Treibhausgasemissionen und Projekten zur Bindung von Treibhausgasen (z. B. Aufforstung), komme der globalen Ernährungswende mit ressourcenschonender Lebensmittelproduktion und verändertem Ernährungsverhalten insbesondere in den wirtschaftlich besser gestellten Nationen mitentscheidende Bedeutung zu. Das 1,5-Grad-Ziel, also die Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad-Celsius, ließe sich so (und nur so) erreichen.
Der Umfang der hier eingesparten Treibhausgasemissionen – insbesondere von Methan aus der (Massen-)Tierhaltung – würde auch das sensible CO2-Budget entlasten und weniger CO2-Entnahmeprojekte erforderlich machen. Aber wie sähe ein klimafreundlicher und zugleich der Humangesundheit förderlicher Speiseplan aus? Wie radikal müssten und dürften die Umstellungen sein, um gute Praktikabilität und möglichst hohe Verbraucheradhärenz zu erreichen?
Das Gute vorweg: Das Problem, eine Ernährungsweise zu finden, die gleichermaßen der planetaren wie der humanen Gesundheit zugutekommt, erfordert keine Kompromisse. Beiden Anforderungen wird eine „stark pflanzenbetonte Ernährung“ gerecht. Seitens der Lebensmittelproduktion und -verteilung verringere sie studienbasiert die Treibhausgasemissionen nachhaltig und trotz der bekannten Unsicherheiten von Ernährungsstudien ist der gesundheitsfördernde Wert einer gemäß den gerade aktualisierten DGE-Empfehlungen zu 75 % pflanzlich dominierten Ernährungsweise wissenschaftlicher Konsens. Als Leitlinie dient die EAT-Lancet Planetary Health Diet, eine „flexible Ernährung mit einer großen Vielfalt an pflanzlichen Lebensmitteln, einer deutlichen Reduktion von tierischen Produkten, insbesondere in Regionen mit hohem und mittlerem Einkommen, und einer eingeschränkten Aufnahme von zugesetztem Zucker.“
Es geht somit keineswegs um einen Ideologie-getriebenen Veganismus, der als Panazee gegen Klimaproblematik und (fehl)ernährungsbedingte Pathogenesen verkauft wird, jedoch wenig Verbraucheradhärenz verheißt. Vielmehr geht es um eine pflanzendominierte Mischkost, die zielgerichtet um hochwertige Lebensmittel tierischer Provenienz ergänzt wird. Eine solche Reduzierung insbesondere des Fleischkonsums würde der für Klima, Umwelt, Tier- und Menschengesundheit gleichermaßen schädlichen Massentierhaltung den Boden entziehen.
Das Aufbrechen fest verwurzelter Ernährungsgewohnheiten ist keine leichte Aufgabe. Damit die Ernährungstransformation gelingt, muss man die Menschen mitnehmen. Gesund-nachhaltiges Catering auf Veranstaltungen sowie in Kitas, Schulen und Krankenhäuser sind das eine. Die besondere Herausforderung dürfte es jedoch sein, den Veränderungsbedarf in die Familien hineinzutragen – insbesondere in solche, in denen es mangels Ernährungswissen, angespannter wirtschaftlicher Verhältnisse, aber auch durch fehlendes Interesses und Problembewusstsein – an Bereitschaft fehlt. „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.“
Ernährungsroutinen und -vorlieben werden frühkindlich geprägt. Der Phase vor dem Besuch von Kita und Grundschule kommt bereits große Bedeutung zu. Gravierende Fehlprägungen in dieser frühen Lebensphase sind schwer zu revidieren. Umso wichtiger ist es, bereits in Kita und Grundschule mit der Aufklärung über gesunde Ernährung und der praktischen Umsetzung zu beginnen, in der Hoffnung, dass das hier erworbene Wissen von den Kindern mit Überzeugungskraft in die Familien hineingetragen wird. Allerdings setzt diese Strategie voraus, die Lehrkräfte von Kitas und Schulen mit der entsprechenden Ernährungskompetenz auszustatten.
Große Aufgaben, die es aber anzugehen gilt. Von allein wird sich das Klimaproblem nicht lösen und schwierige, aber praktikable Handlungsoptionen sind allemal besser als blinder Klima-Aktivismus. „Hütet euch vor -ismen“ – hat der Autor dieser Zeilen schon zu Kinderzeiten gelernt. Bislang ist er gut damit gefahren und optimistisch, mit Überzeugungskraft, anstatt mit apodiktischen „Ismen“ klima- und menschenfreundlich voranzukommen.
Bildquelle: Clark Douglas, Unsplash