Emotionale Kompetenzen, wie das Erkennen von Gefühlen anderer Menschen, gelten als wichtige Faktoren für Erfolg im Beruf und im Privatleben. Patienten mit Autismus oder Schizophrenie hatten bislang schlechte Karten. Das muss nicht sein: Nikos Green setzt auf digitale Tools, um deren Lebensqualität zu verbessern.
Wertvolle Ergänzungen für Face-to-Face-Therapien: Das Spin-off Affective Signals arbeitet an Online-Tools, um sozio-emotionale Kompetenzen zu trainieren – bei Menschen mit Erkrankungen oder mit geringen Kompetenzen. DocCheck sprach mit dem Gründer Dr. Nikos Green über die medizinische Notwendigkeit, aber auch über wirtschaftliche Chancen seiner Programme.
@Nikos Green Green, Wissenschaftler an der Freien Universität (FU) Berlin, widmet sich Computermodellen zum besseren Verständnis neurokognitiver Prozesse. Bei seinen Arbeiten kooperiert er unter anderem mit Professor Dr. Isabel Dziobek, Leiterin der Nachwuchsgruppe „Understanding Interaffectivity“ am Cluster Languages of Emotion der FU Berlin sowie der Social Cognition Group an der Berlin School of Mind and Brain (HU Berlin). Auch Dr. Timothy Brick, Forscher am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, bringt Impulse zum Thema Computational Psychiatry ein. In gemeinsamen Workshops entstand schließlich die Idee, Affective Signals als Start-up zu gründen. Mit an Bord sind der Softwareentwickler Claus Matzinger sowie der Kaufmann Simen Strand. Sie arbeiten an einem digitalen Service, um Verfahren für das Messen und Trainieren sozio-emotionaler Kompetenzen bereitzustellen. Im Zentrum stehen zwei Tools.
Das Social Cognition Training Tool (SCOTT) bietet Hilfestellung beim Erkennen und Verstehen von Gefühlen. „SCOTT liegt ein Emotionsmodell mit naturalistischem Ansatz zu Grunde“, erklärt Nikos Green. Schauspieler wurden im Rahmen von Forschungsarbeiten zum Thema sozio-emotionale Kompetenzen beauftragt, 40 alltagsrelevante Emotionen darzustellen. Entsprechendes Material fließt in drei Module ein, die unterschiedliche Aspekte im Verständnis sozio-emotionaler Signale trainieren und erklären: ein Puzzle zur Emotionserkennung in Gesichtern, eine Zuordnungsaufgabe, um das Erkennen emotionaler Sprachmelodien zu trainieren sowie soziale Alltagsszenen, die anhand emotionaler Signale zu beurteilen sind. Green ist es wichtig, nicht nur fundierte Softwarelösungen anzubieten, sondern Patienten auch zu motivieren. Über den Serious-Games-Ansatz lernen sie spielerisch, aber wissenschaftlich fundiert, verschiedene Bausteine der Gefühlswelt zu verknüpfen. Gerade laufen Tests mit interessierten Patienten und Therapeuten, um zu beurteilen, wo es gegebenenfalls noch Optimierungsbedarf gibt. Greens Team prüft die Effektivität von SCOTT unter anderem bei Menschen mit hochfunktionalem Autismus: Betroffene sind kognitiv nicht eingeschränkt, haben jedoch sozio-emotionale Defizite. „Man kann die Inhalte nach entsprechender Anpassung ebenfalls bei anderen psychischen Störungen einsetzen, die Einschränkungen in sozio-emotionaler Kompetenz involvieren wie Persönlichkeitsstörungen, bipolare Störungen und Essstörungen“, sagt Green. // DcTvEmbed().embedMovie({video: "nwmhajybbzlp",width: "480px",height: "360px",autoplay: false,allowFullScreen: true,endpointUrl: "//tv.doccheck.com/de/service/movie/details/identkey/",assetsUrl: "//dccdn.de/tv.doccheck.com/player/"}); //
Ein weiteres Instrument, das sich in einer fortgeschrittenen Entwicklungsphase befindet, erfasst und interpretiert Emotionen. „Der EmotionReader ist eine Entwicklung von Dr. Timothy Brick“, erzählt Green. Brick, selbst Informatiker und Psychologe, forscht an Methoden zur automatischen Messung von Emotionen in Mimik und Gestik. Entsprechende Technologien gibt es schon seit fast 15 Jahren, sie gelten aber nur als die halbe Miete. „Viel wichtiger ist die Frage, wie man aus Messungen sinnvolle Handlungsanweisungen ableiten kann“, gibt Green zu bedenken. Detektiert der EmotionReader Frustration oder Interesse, wandern Informationen zu SCOTT und optimieren das Training. Damit nicht genug: Menschen können ihren emotionalen Ausdruck trainieren: durch die Möglichkeit, emotionale Gesichtsausdrücke zu erfassen, aber auch zurückzumelden, was sich emotional gerade beim Gegenüber abspielt. Entsprechende Informationen können vom Patienten aufgenommen werden und bilden eine weitere Basis für das Trainieren sozio-emotionaler Kompetenzen. Green: „Das kann viel in der zwischenmenschlichen Kommunikation verbessern.“ Mit Einverständnis ihrer Patienten beurteilen Ärzte den Therapieerfolg sogar online, der EmotionReader macht es möglich. // DcTvEmbed().embedMovie({video: "menvmmmnonhf",width: "480px",height: "360px",autoplay: false,allowFullScreen: true,endpointUrl: "//tv.doccheck.com/de/service/movie/details/identkey/",assetsUrl: "//dccdn.de/tv.doccheck.com/player/"}); //
Bleibt noch ein Blick auf ökonomische Aspekte: SCOTT und der EmotionReader haben Potenziale, sich auf dem Markt zu behaupten. Für seine Tools sieht Nikos Green Einsatzmöglichkeiten aufgrund der Unterversorgung im psychotherapeutischen Bereich. Darüber hinaus hofft er, die Adhärenz von Patienten bei Therapien zu verbessern. Speziell beim Autismus gäbe es wenige moderne, evidenzbasierte Verfahren – dementsprechend groß ist das Interesse von Ärzten, Patienten und Kostenträgern. Ganz klar, langfristig verfolgt Affective Signals das Ziel, sich über Gelder gesetzlicher Krankenkassen zu finanzieren. Und so berichtet Green von „ersten, erfolgreichen Gesprächen mit Therapeuten, Versicherungen und Patientenorganisationen über die Anwendung der digitalen Tools bei speziellen Krankheitsbildern wie Autismus oder Persönlichkeitsstörungen beziehungsweise Essstörungen“. Jetzt gilt es, abzuwarten, inwieweit Kosten tatsächlich übernommen werden. „Das hängt davon ab, wie Patienten und Ärzte die Tools annehmen“, vermutet Green. Gerade laufen Kooperationen mit Heilberuflern und Erkrankten, um die Alltagstauglichkeit zu evaluieren.