Ich bin Medizinstudentin und plötzlich stehe ich allein in der Notaufnahme und soll dem Patienten helfen – zum Glück nur virtuell auf dem DGIM-Kongress. Lest hier, wie es dazu kam.
Um 12 Uhr am Samstag fällt der Startschuss. Wir drei Studentinnen aus Köln, in Wiesbaden angekommen, bekamen am Terminal unsere Namensschilder und los ging die Reise durch den Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM).
In der Halle für Technik und Innovationen gab es direkt einiges zu entdecken und schnell kamen wir bei den Sonos an. Dort gab es Vorträge, wie man richtig mit den neuen Geräten schallt und was man sehen kann – wenn man es denn sehen kann – bis hin zu der einen Sache, die alle früher oder später trifft: die künstliche Intelligenz. Eine Frage brannte mir unter den Nägeln: Müssen wir jetzt also nicht mehr schallen können? Man erklärte uns, dass das Gegenteil der Fall sei. In Zukunft werde die KI uns dazu bringen, besser und genauer zu schallen als die Klinik es uns heute zeigt. Ob wir alle Schallprofis werden, wird die Zukunft zeigen.
Neben der KI und ihren Einflüssen auf die Zukunft der inneren Medizin, waren auch Lösungsansätze bezüglich Nachhaltigkeit kaum zu übersehen. Ein spannendes Beispiel – sehr bunt und prominent – waren sicherlich die klimaneutralen Dosieraerosolen. Ein Riesending, zumindest das Banner.
Die erste Sitzung für uns an diesem Tag bei der AG Junge DGIM stand unter dem Motto der neuen Krankenhausreform: Chancen, Risiken und was sind eigentlich die Fakten?
Diskussionskultur und Faktenchecks scheinen in dieser Zeit auch unter uns Medizinern nicht immer im Einklang zu sein. So hingen wir dem Redner des Vortrags über die Fakten der Reform gespannt an den Lippen, lernten eine Seite der so kritisierten Krankenhausreform kennen, die für uns so negativ nicht scheint. Aber der Satz, dass es erst sehr dunkel wird, bevor es besser wird im Gesundheitssystem; ob das so motivierend ist für die angehende Generation? Fazit für uns: Es geht nur zusammen. Es geht nur mit allen, mit den Jungen und den Alten. Und so, wie es jetzt ist, so geht’s nicht weiter. Es gibt Probleme, die zu lösen sind, aber auch Chancen, die zu ergreifen sind.
Später änderte sich der Schwerpunkt der Podiumsdiskussionen bei der jungen DGIM ein wenig. Was genau hat die Patientin, die massiv instabil an Heiligabend in die Notaufnahme kommt? Und was für Laborparameter gucke ich mir nochmal an, wenn mein junger Patient eine Pankreatitis hat ohne die typischen Risikofaktoren? Ich habe jedenfalls jetzt einen weiteren Merkspruch im Repertoire.
Angekommen in der Halle Süd mussten wir erst einmal die Vielzahl der Firmen im Gesundheitswesen überblicken. Firmen, die, spätestens seit 2021, jeder kennt und Firmen, die ich eher mit Drogeriemärkten in Verbindung bringe als mit Arzneimitteln. Und dann waren da noch die Unternehmen, die uns Studenten wahrscheinlich mehr als einmal eine Klausur gerettet haben. Die eine Suchmaschine punktete hier mit kreativen Tûlips, die andere mit Lern-Pocketcards und Taschen.
Aber mein persönliches Highlight: Die VR-Notaufnahme in der Future-Ecke der jungen DGIM. Ich, Medizinstudentin mit 10 Wochen Famulatur hinter mir, plötzlich in einer Notaufnahme, die alles hat, nur keine Kollegen, inklusive eines schwer kranken Patienten. Meine Aufgabe? Herausfinden, was ihm fehlt und helfen. Das Schwierige: Von dieser Krankheit hatte ich noch nie gehört – da wird die Therapie zur Herausforderung.
Aber mit Hilfe meiner Freundinnen (gegen die ich mehr als nur einmal gelaufen bin) und den beiden jungen Ärzten konnten wir dem Patienten wenigstens nach 30 Minuten verlegen. Intensiver lässt es sich selten lernen im Medizinstudium. Aber wer jetzt denkt: Das interessiert mich nicht, ich habe ausgelernt und Krankheiten, von denen ich noch nicht gehört habe, die gibt es nicht. Falsch. Denn: diese VR-Technologie ist nicht nur zum Lernen gedacht. Im Gespräch mit den beiden Ärzten erfuhren wir von einem ganz anderen Ziel, was sie mit VR verfolgen: Tumorpatienten während ihrer Therapie ein wenig Freude geben an den Orten, wo sie sich wohlfühlen. Ich freue mich auf diese Studienergebnisse.
Weiter ging es bei einem Stand, der nicht ganz so nicht-invasiv wie andere war. Am Anfang naiv denkend, wir würden hier was über die Technik der Blutzuckermessung bei Diabetikern lernen und eine Tasche abgreifen, fanden wir uns alle plötzlich mit einem Sensor in unseren Oberarmen wieder, wartend darauf, wie denn der nächste Kaffee, der Burger abends oder das Frühstück unseren Glukosespiegel beeinflusst. Spoiler: Mein Haferflocken-Frühstück treibt meinen Blutzucker höher als das Vollkornbrötchen. Und so nahmen wir noch eine Tasche mit eigenem Kaffeebecher, die Idee, bei einer Zeitarbeitsagentur anzufangen, diverse Beautymasken, Antimilbensprays und eine weitere Tasche mit. Ich würde sagen: Erfolg auf ganzer Linie.
Es wird schwierig für uns, weil es das schon ist. Ein rosaroter Ponyhof, damit können wir nicht rechnen. Aber alles schwarz? Nein. Wir haben Chancen, die wir nutzen können. Wir sind die Generation, die die Power hat, etwas mitzunehmen, etwas zu verändern, etwas dazu beizutragen, dass es besser wird. Wer, wenn nicht wir? Wir haben alle Möglichkeiten – technisch und menschlich – also lasst uns jetzt beginnen, unsere Zukunft mitzugestalten. Denn die Zukunft sieht ziemlich cool aus. Zumindest im RheinMain Congresscenter.
Bildquelle: JOSHUA COLEMAN, Unsplash