Trotz sehr wirksamer Medikamente steigen die Hepatitis-C-Fälle. Was muss sich ändern? Und ist es überhaupt möglich, ein Virus ohne Impfstoff zu eliminieren?
Als die WHO 2017 ihren Globalen Hepatitis Bericht vorstellte, mussten sich Ärzte mit der unangenehmen Tatsache auseinandersetzen, dass die weltweiten Todesfälle durch Tuberkulose, Malaria und HIV zwar sinken, die Hepatitis-bedingten Todesfälle aber zunehmen. Ein großer Anteil wird dabei durch das Hepatitis-C-Virus (HCV) verursacht. Doch wie kann das sein, wo es doch mittlerweile hocheffektive Behandlungsmöglichkeiten gibt? Darüber sprach Prof. Christoph Sarrazin, Facharzt für Innere Medizin, Gastroenterologe/Hepatologe und Vorstandsmitglied der Deutschen Leberstiftung auf dem Kongress der DGIM.
Eine große Hürde beim Kampf gegen HCV-Infektionen ist die frühzeitige Diagnose. Denn nach einer akuten Infektion haben Betroffene – wenn überhaupt – meist nur leichte Symptome wie Kopfschmerzen oder Abgeschlagenheit. „Und dann merken sie erstmal gar nichts“, erläutert Sarrazin. Es können mehrere Jahrzehnte vergehen, bis Patienten eine Leberzirrhose entwickeln, zum Arzt gehen und daraufhin die HCV-Diagnose erhalten. „Da ist das Kind schon in den Brunnen gefallen“, so Sarrazin.
Nach letzten Schätzungen gibt es in Deutschland etwa 179.00 nicht diagnostizierte HCV-Fälle – es ist also noch Luft nach oben. Während der Pandemie sanken die Zahlen der HCV-Infektionen allerdings, doch danach stiegen sie stark an. „Woran liegt das?“, fragt Sarrazin und gibt selbst zu: „So ganz klar ist das nicht.“ Ein Grund ist vermutlich, dass während der Pandemie HCV-Testungen in den Hintergrund gerückt sind und anschließend nachgeholt wurden. Zunehmende Migration aus Ländern mit hoher HCV-Prävalenz könnte auch eine Rolle spielen. Außerdem wurde im Oktober 2021 die optionale HCV-Testung mit dem Check-up 35 eingeführt.
Ein großer Vorteil des Check-up 35, so Sarrazin, ist, dass das Serum routinemäßig zwar erstmal nur auf HCV-Antikörper testet, sobald aber ein positives Ergebnis gefunden wird, eine Reflextestung mit der gleichen Probe folgt, um einen direkten Virusnachweis zu erbringen. Damit wurde die Hürde, dass Patienten für eine zweite Serumentnahme in die Praxis kommen müssen, abgebaut.
Durch diese Routinetestung steigt die Chance, Patienten zu diagnostizieren, die noch keine Symptome – also hoffentlich auch noch keine Zirrhose – haben. Sarrazin erklärt aber auch, dass nicht alle Menschen gleich gut erreicht werden: Gerade die Hochrisikopatienten nehmen seltener daran teil. Dazu zählen Drogengebrauchende, Gefängnisinsassen und Migranten aus Ländern mit hoher HCV-Prävalenz. Für diese Patienten brauche es noch andere, individuell angepasste Strategien.
Für HCV gibt es aktuell keine Impfung und Sarrazin betont: „Es bleibt eine große Herausforderung, ohne einen Impfstoff für HCV eine Eliminierung zu erreichen.“ Die Forschung an möglichen Impfstoffen gestaltet sich allerdings schwierig, denn das Virus ist sehr variable und viele Studien wurden wegen ausbleibender Wirkung frühzeitig abgebrochen. Sarrazin stellt eine der wenigen großen Studien vor, in der Risikopatienten ohne bisherige HCV-Infektion über sechs Jahre beobachtet wurden. Am Ende hatten die Patienten, die die Impfung erhielten und sich mit HCV infizierten, eine signifikant reduzierte Viruslast, aber es gab keinen sterilisierenden Effekt. Und Sarrazin betont: „Es hat sechs Jahre gebraucht, um diese Studie durchzuführen.“
Deshalb wird seit kurzem auch das „Controlled Human Infection Model“ diskutiert. Dabei werden Menschen in den Studien kontrolliert mit HCV infiziert. Sarrazin betont: „Wenn die Impfung nicht wirkt, hat man ja immer noch die Chance, das Virus wieder zu eliminieren.“ Denn die verfügbaren Medikamente sind hochwirksam. Er sagt aber auch: „Es wird gerade kontrovers diskutiert, wie man das genau macht. Das sind alles sehr, sehr schwierige Fragen, die da beantwortet werden müssen.“ Und dann fügt er noch hinzu: „Wir müssen jetzt dranbleiben. Denn ein Virus zu eliminieren ist keine Kleinigkeit!“
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