Wissenschaftler wiesen nun nach, dass zentrale T-Gedächtniszellen alle wesentlichen Eigenschaften adulter Gewebestammzellen aufweisen. Diese Zellen sind fähig, sich selbst zu erneuern und gleichzeitig verschiedene Zellnachkommen zu bilden.
Die Mechanismen, die dem immunologischen Gedächtnis zugrunde liegen, sind noch nicht vollständig bekannt. Seit 2001 stützen verschiedene Forschungsansätze übereinstimmend die Hypothese, dass die Langlebigkeit des immunologischen Gedächtnisses auf einem Reservoir von Immunzellen mit stammzellähnlichen Eigenschaften basiert. Bisher gab es dafür keinen eindeutigen Beweis, vor allem weil die Experimente nur mit Zellenpopulationen durchgeführt werden konnten und nicht mit einzelnen Zellen. Wissenschaftler konnten jetzt die Stammzellhypothese des immunologischen Gedächtnisses genauer testen, weil sie das Schicksal einzelner T-Zellen und ihrer Nachkommen über mehrere Generationen hinweg nachverfolgen konnten. Die hierfür notwendigen experimentellen Voraussetzungen wurden im Rahmen einer langfristigen Zusammenarbeit zwischen Forschern in München und Seattle (USA) entwickelt, bei der es um die klinische Aufbereitung und Reinigung von Zellen geht. Seit 2009 bringen die Arbeitsgruppen von Prof. Dirk Busch an der Technischen Universität München (TUM) und von Prof. Stanley Riddell am Fred Hutchinson Cancer Research Center (Fred-Hutchinson-Krebsforschungszentrum) in Seattle ihre technologische Kompetenz und klinische Expertise unter der Federführung des TUM Institute for Advanced Study zusammen. Nachdem die TUM-Forscher Patricia Gräf und Veit Buchholz experimentell eine Immunantwort bei Labortieren ausgelöst hatten, isolierten sie antigen-spezifische CD8+ T Zell-Populationen, die aus verschiedenen Arten (Subgruppen) sogenannter ‚T-Killerzellen’ bestehen. Sie sind an der Abwehr von akuten oder wiederauftretenden Infektionen beteiligt. Von diesen übertrugen sie einzelne Zellen von einem auf einen anderen Organismus und untersuchten die hieraus entstehenden Immunantworten detailliert. Entscheidend war hierbei, dass die Wissenschaftler die Nachkommen einzelner T-Zellen über mehrere Generationen hinweg identifizieren und charakterisieren konnten.
Die Forscher stellten zunächst fest, dass eine bestimmte Unterpopulation, die sogenannten zentralen T-Gedächtniszellen, ein hohes Potenzial zur Vermehrung und Differenzierung zeigten - unabhängig von ihrem Herkunftsort wie zum Beispiel dem Knochenmark, aus den Lymphknoten oder der Milz. Das stützte die Annahme der Forscher, dass es sich bei zentralen T-Gedächtniszellen tatsächlich um adulte Stammzellen handeln könnte - war aber noch kein Beweis dafür. Durch weitere Experimente, bei denen T-Gedächtniszellen und sogenannte naive T-Zellen - also T-Zellen, die noch keinen Kontakt mit ihrem Antigen hatten - verglichen wurden, konnten die Wissenschaftler die Ursache immer weiter auf die stammzellähnlichen Eigenschaften eingrenzen. Schritt für Schritt bestärkten die Ergebnisse die Hypothese, dass die Langlebigkeit des immunologischen Gedächtnisses auf den Stammzelleigenschaften einer T-Zell-Untergruppe, den zentralen T-Gedächtniszellen, beruht: Einzelne zentrale T-Gedächtniszellen erwiesen sich als „multipotent“. Das bedeutet, dass sie unterschiedliche Typen von Zellnachkommen bilden können, die eine Infektion bekämpfen und sich an ihren „Gegner“ erinnern. Darüber hinaus erneuern sich diese einzelnen T-Zellen selbst zu neuen T-Gedächtniszellen, die ebenfalls wieder auf der Einzelzellebene multipotent sind. Sogar einzelne Nachkommen von sekundären T-Gedächtniszellen mit einem zentralen T-Gedächtniszell-Phänotyp sind in der Lage, eine normale Immunreaktion vollständig wiederherzustellen.
„Mithilfe dieser Ergebnisse können möglicherweise hochwirksame Immuntherapien gegen Krebs und andere Erkrankungen durch Transfer von sehr kleinen Mengen geeigneter T-Zellen erzielt werden“, sagt Prof. Dirk Busch. „Prinzipiell kann eine einzige T-Zelle ausreichen, um einem Patienten einen wirksamen und dauerhaften Immunschutz gegen einen bestimmten Erreger oder ein Tumorantigen zu übertragen. Ist das nicht erstaunlich?“ „Diese Ergebnisse sind außerordentlich interessant und kommen zu einem Zeitpunkt, an dem sich die Immuntherapie immer mehr zu einer etablierten Behandlungsmethode gegen Krebs und andere Erkrankungen entwickelt“, erläutert Prof. Stanley Riddell „Unsere Ergebnisse liefern starke experimentelle Hinweise darauf, dass die langfristige Wirksamkeit von T-Zell-Immuntherapien gegen Infektionen und Krebs durch die Verwendung spezifischer T-Zell-Untergruppen verbessert werden kann.“ Originalpublikation Serial transfer of single cell-derived immunocompetence reveals stemness of CD8+ central memory T cells Dirk H. Busch et al.; Immunity, doi: 10.1016/j.immuni.2014.05.018; 2014