Sie sind extrem beliebt – und werden ebenso verteufelt: Cola, Limos und Co. Neben den bekannten Risiken für Diabetes oder Adipositas finden Wissenschaftler jetzt Hinweise auf vermehrtes Vorhofflimmern. Ist da was dran?
Der Markt an Erfrischungsgetränken boomt wie nie zuvor – bei einem Pro-Kopf-Verbrauch von zuletzt 124,9 Litern in Deutschland. Dazu zählen nicht nur Limonaden, Cola-Getränke und Brausen, sondern auch Fruchtsaftgetränke und Fruchtschorlen.
Trotz diverser Warnungen vor Typ-2-Diabetes, vor hormonellen Störungen, vor Leberkrebs und vor anderen Erkrankungen greifen Konsumenten nur allzu gern zum süßen Nass. Jetzt kommen Hinweise auf weitere Risiken dazu. Denn: Eine aktuelle Auswertung von Daten der UK BioBank kommt zu dem Schluss, dass der Konsum zuckerhaltiger oder künstlich gesüßter Getränke mit einem höheren Risiko für Vorhofflimmern in Verbindung stehen könnte. Was hat es damit auf sich?
Ying Sun vom Shanghai Ninth People’s Hospital und von der Shanghai JiaoTong University School of Medicine hat zusammen mit Kollegen die rund eine halbe Million Datensätze umfassende UK BioBank ausgewertet. Darin sind neben Gesundheitsdaten über mehr als zehn Jahre auch genetische Faktoren und Fragebögen über Lebensgewohnheiten erfasst.
Schließlich standen Daten von 201.856 Teilnehmern bereit, die zu Beginn der Studie kein Vorhofflimmern hatten. Von ihnen lagen sowohl genetische Daten als auch Fragebögen zum Lebensstil und zur Ernährung bzw. zum Konsum von Getränken vor.
Sun und Kollegen kategorisierten alle Teilnehmer nach dem Konsum von Softdrinks in mehrere Gruppen:
In der Kohorte kam es innerhalb einer mittleren Beobachtungsdauer von 9,9 Jahren zu 9.362 neuen Fällen von Vorhofflimmern. Verglichen mit der Kontrollgruppe hatten Personen, die pro Woche mehr als zwei Liter Softdrinks mit Zucker bzw. mit Süßstoffen konsumierten, ein erhöhtes Risiko für Vorhofflimmern (Hazard Ratio 1,10 bzw. 1,20). In der Gruppe mit weniger als einem Liter Softdrinks pro Woche lag die Hazard Ratio (HR) bei 0,92.
Das größte Risiko für Vorhofflimmern fanden Wissenschaftler bei Teilnehmern mit hohem genetischem Risiko, die mehr als zwei Liter künstlich gesüßter Softdrinks pro Woche konsumiert haben (HR 3,51). Besonders niedrig war das Risiko bei Probanden mit geringem genetischem Risiko bei einem Konsum unter einem Liter pro Woche (HR 0,77).
Bei der Interpretation ihrer Resultate sind die Autoren selbst recht vorsichtig. Ihnen ist bewusst, dass sie mit dem Studiendesign keine Kausalität belegen können, sondern nur eine Assoziation. Weitere Risikofaktoren könnten das Ergebnis verzerrt haben. „Diese Studie zeigt nicht, dass der Konsum von mit Zucker oder künstlich gesüßten Softdrinks das Risiko verändert, sondern eher, dass der Konsum das Risiko über traditionelle Risikofaktoren hinaus prognostizieren könnte“, schreiben sie im Artikel.
Das Science Media Centre UK hat Experten, die nicht an der Studie beteiligt waren, gebeten, die Ergebnisse zu kommentieren. Dr. Duane Mellor von der Aston University kritisiert, dass Ernährungsdaten der Studie nur auf einer Extrapolation der Angaben aus Fragebögen basierten. Und diese seien auch nur drei Jahre lang, sprich zu Beginn der Studie, erfasst worden. Auch liefere die Arbeit keinen konkreten Hinweis auf biologische Mechanismen, um Softdrinks mit der Herzgesundheit in Verbindung zu bringen. „Es ist unklar, ob es sich bei den Ergebnissen um einen zufälligen Befund bzw. um eine statistische Anomalie handelt“, schreibt Mellor. Es könnte sich also nur um einen statistischen Schluckauf handeln.
„Auch wenn die Autoren versucht haben, viele Faktoren zu berücksichtigen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass andere Verhaltensaspekte in Zusammenhang mit dem Konsum von Softdrinks als Ursache für Vorhofflimmern relevanter sind als die Getränke selbst“, gibt Prof. Naveed Sattar zu bedenken. Er forscht an der Universität von Glasgow. Alles in allem seien Forscher „weit davon entfernt”, zu beweisen, dass der Konsum ursächlich zu Vorhofflimmern führe.
Auch Prof. Tom Sanders vom King's College London bestätigt, es sei plausibler, dass der Konsum mit einem anderen – derzeit unbekannten – Faktor zusammenhänge, der das Risiko für Vorhofflimmern erhöhe. „Da es sich um die erste Studie handelt, in der ein solcher Effekt festgestellt wurde, muss das Ergebnis reproduziert werden, bevor Schlussfolgerungen gezogen werden können“, sagt er.
Damit bleibt als Fazit für die Praxis: Die Studie wirft viele Fragen auf. Ob der Zusammenhang zwischen dem Konsum von Softdrinks und Vorhofflimmern kausal ist, erscheint zwar fraglich. Doch unabhängig davon spricht viel gegen zuckerhaltige oder künstlich gesüßte Getränke. Die klare Empfehlung, am besten auf Softdrinks zu verzichten, steht außer Frage.
Bildquelle: Fellipe Ditadi, Unsplash