Die Studien sind angestaubt, die Praxis trotzdem noch gängig: Betablocker nach akutem Myokardinfarkt. Was bringt das wirklich – und ist dieses Vorgehen im Zeitalter der Reperfusion überhaupt noch angebracht?
Die meisten Studien zum Nutzen von Betablockern nach Herzinfarkt stammen aus den 80er Jahren. Die REDUCE-AMI-Studie wollte die Datenlage updaten und untersuchte nun erneut die Frage, ob eine Langzeittherapie mit Betablockern nach akutem Myokardinfarkt die Gesamtmortalität und Reinfarkte reduzieren kann. Die Studie wurde aktuell im Fachjournal New England Journal publiziert und als offene, randomisierte Parallelgruppenstudie zwischen September 2017 und Mai 2023 an 45 Zentren in Schweden, Estland und Neuseeland durchgeführt. Es wurden 5.020 Personen mit akutem Myokardinfarkt eingeschlossen.
Patienten, bei denen eine Koronarangiographie durchgeführt worden war und die eine linksventrikuläre Ejektionsfraktion von mindestens 50 % zeigten, erhielten 1:1 randomisiert entweder eine Langzeitbehandlung mit einem Betablocker (Metoprolol oder Bisoprolol) oder keine Betablocker-Behandlung. Der primäre Endpunkt war eine Kombination aus Tod jeglicher Ursache oder Reinfarkt. Zu den sekundären Endpunkten gehörten die kardiovaskuläre Mortalität und Krankenhauseinweisungen aufgrund von Vorhofflimmern oder Herzinsuffizienz. Weitere Endpunkte waren Dyspnoe und Angina pectoris. Das Team berücksichtigte Alter, Land, vorliegende Diabetes-Erkrankungen und einen früheren Myokardinfarkt.
Die Koronarangiographie zeigte bei 55 % eine koronare 1-Gefäßerkrankung, 27 % eine koronare 2-Gefäßerkrankung und bei 17 % eine koronare 3-Gefäßerkrankung. Das Team führte bei 96 % der Patienten perkutane Koronarinterventionen durch, wobei bei 4 % eine Koronararterien-Bypass-Transplantation durchgeführt wurde. Bei der Entlassung aus dem Krankenhaus erhielten 97 % Acetylsalicylsäure, P2Y12-Rezeptorblocker, ACE-Hemmer und Statine.
Die mediane Nachbeobachtungszeit betrug 3,5 Jahre. Ein primäres Endpunktereignis trat bei 199 von 2.508 Patienten (7,9 %) in der Betablocker-Gruppe und bei 208 von 2.512 Patienten (8,3 %) ohne Betablocker-Behandlung auf (HR 0,96; 95 %; KI 0,79–1,16; p = 0,64). Die Betablocker-Behandlung führte nicht zu einer geringeren kumulativen Inzidenz der sekundären Endpunkte (Tod jeglicher Ursache 3,9 % vs. 4,1 %; Tod durch kardiovaskuläre Ursachen 1,5 % vs. 1,3 %; Myokardinfarkt 4,5 % vs. 4,7 %; Hospitalisierungen wegen Vorhofflimmern 1,1 % vs. 1,4 %; und Hospitalisierungen wegen Herzinsuffizienz 0,8 % vs. 0,9 %). Auch hinsichtlich der Sicherheitsendpunkte ließen sich keine wesentlichen Unterschiede feststellen. Die Hospitalisierungen aufgrund von Bradykardien, einem atrioventrikulären Block Grad II oder III, einer bestehenden Hypotonie, Synkopen oder der Implantation eines Herzschrittmachers traten jeweils bei 3,4 % vs. 3,2 % auf. Eine Hospitalisierung wegen Asthma oder einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung trat bei 0,6 % vs. 0,6 % auf. Zu Hospitalisierungen wegen eines Schlaganfalls kam es bei 1,4 % vs. 1,8 % (jeweils Betablocker-Gruppe vs. Gruppe ohne Betablocker-Behandlung).
Es konnte somit kein Effekt einer frühzeitig induzierten oralen Therapie mit einem Betablocker bei Personen mit Myokardinfarkt und einer erhaltenen linksventrikulären Funktion nachgewiesen werden. Die Behandlung mit Betablockern führte weder zu einer niedrigeren kumulativen Inzidenz des zusammengesetzten primären Endpunktes noch konnten Unterschiede im Hinblick auf die anderen Endpunkte festgestellt werden.
In einem Editorial zu der Studie betont Dr. P. Gabriel Steg, Hôpital Bichat, Frankreich, dass die Ergebnisse nur für die untersuchten Patienten gelten, nicht aber für Patienten mit höherem Risiko, wie zum Beispiel solche mit einer linksventrikulären Herzleistung unter 50 % oder diejenigen, die sich keiner Revaskularisierung unterzogen haben. Die REDUCE-AMI-Studie ist allerdings nicht die erste Arbeit, die den Einsatz von Betablockern bei Post-Herzinfarkt-Patienten in Frage stellt. Mehrere Beobachtungsstudien – darunter REACH und CLARIFY – deuten darauf hin, dass die zusätzlich verabreichten Betablocker in der modernen medizinischen Therapie keinen Nutzen haben. Bereits 2014 veröffentlichten Forscher eine Metaanalyse von mehr als 60 Studien mit 100.000 Patienten, in der festgestellt wurde, dass Betablocker, die nach einem akuten Myokardinfarkt verschrieben wurden, das Risiko der Gesamtmortalität im Zeitalter der Reperfusion nicht verringerten.
Sollten weitere Studien keinen Benefit für Betablocker nach Myokardinfarkt nachweisen können, müssten zukünftig Leitlinien und klinische Praxis angepasst werden.
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