Viele wichtige Medikamente werden aus natürlichen Produkten von Bakterien gewonnen. Forscher haben nun untersucht, wie dieser Prozess schneller und gezielter ablaufen kann.
In der Industrie wird oft nach dem Fließbandprinzip gearbeitet: Doch nicht der Mensch ist der eigentliche Erfinder dieses Prinzips, sondern Bakterien. Nicht-ribosomale Peptidsynthetasen (NRPS) sind bakterielle Enzyme, die wie am Fließband eine ungeheure Vielfalt an Naturprodukten herstellen. Sie ermöglichen es den Bakterien, in einer Vielzahl von natürlichen Lebensräumen zu überleben. Der Mensch profitiert in hohem Maße von diesen Enzymkomplexen, da sie der Ursprung vieler wichtiger Medikamente wie Antibiotika sind.
Die Arbeitsgruppe von Helge Bode am Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie in Marburg untersucht, wie sich diese Enzymsysteme für die gezielte Herstellung von Medikamenten im Labor nutzen lassen. Die Forscher verändern Teile der Enzyme und damit die funktionellen Eigenschaften der gesamten Enzymkomplexe (NRPS-Engineering), um Produkte mit neuen Eigenschaften herzustellen. Doch obwohl dieses Konzept bereits seit mehreren Jahren verfolgt wird, hat es bisher nicht wie erhofft funktioniert. „Wir haben erkannt, dass es eine große Chance ist, die Natur als Modell zu nehmen. Wenn wir die natürlichen Prozesse verstehen, werden wir wissen, welche Bereiche des Enzyms sich am besten für das NRPS-Engineering eignen“, erklärt Kenan Bozhüyük.
Um herauszufinden, welche Untereinheiten des Enzyms besonders gut zusammenarbeiten, beschäftigte sich das Team mit der Frage: An welchen Stellen setzt die Evolution selbst an, um die neuen Fließbänder zu etablieren oder zu verändern, damit die gewünschten Wirkstoffe entstehen? Zusammen mit der Gruppe von Georg Hochberg vom Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie und Michael Groll von der Technischen Universität München suchte das Team nach Hotspots der natürlichen Rekombination. „Wir haben mehrere zehntausend Enzyme bioinformatisch analysiert und dann die Analyse mit Laborexperimenten kombiniert, um die vorhergesagten Zielorte zu verifizieren“, erklären die Erstautoren Leonard Präve und Carsten Kegler.
Tatsächlich fand das Team einen neuen Fusionspunkt für die gezielte Herstellung von funktionellen NRPS-Hybriden. Es gelang ihnen sogar, NRPS-Sequenzen aus völlig unterschiedlichen Organismen wie Bakterien und Pilzen zu kombinieren. Anschließend testeten die Forscher ihre neuen Erkenntnisse in einem medizinischen Kontext: Sie konstruierten ein neues, pharmakologisch aktives Peptid. Die umfassende Studie zeigt das große Potenzial von bakteriellen Naturstoffen als Grundlage für neue Medikamente.
„Die Forschung sowohl in der synthetischen Biologie als auch in der Evolutionsbiochemie hat in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht“, sagt Bode. „Der entscheidende Vorteil unseres Ansatzes ist, dass wir evolutionäre Prozesse nutzen, die sich über Jahrmillionen bewährt haben. Unsere von der Evolution inspirierten Fusionsstellen sind vielseitiger und haben eine höhere Erfolgsquote.“
Das Konzept des Teams kombiniert die synthetische Biologie mit Hochdurchsatzmethoden, um biologisch aktive Verbindungen schneller und kostengünstiger zu entdecken. Die Forscher hoffen, auf diese Weise maßgeschneiderte biologische Arzneimittel mit verbesserten therapeutischen Eigenschaften zu entwickeln, was angesichts der Zunahme von Arzneimittelresistenzen und -unverträglichkeiten immer wichtiger wird.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Max-Planck-Gesellschaft. Die Originalpublikation haben wir euch hier verlinkt.
Bildquelle: Getty Images, Unsplash