Patienten mit asymptomatischer Bakteriurie sollten nicht mit Antibiotika behandelt werden – das wird seit Jahren empfohlen. Trotzdem halten Ärzte sich nicht immer dran. Das sollten sie aber besser tun, zeigt jetzt eine Studie.
Bereits im Jahr 2016 veröffentlichte die Initiative Klug entscheiden der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) in der Rubrik Infektiologie ihre negative Empfehlung zur Therapie der asymptomatischen Bakteriurie: Patienten mit asymptomatischer Bakteriurie sollten nicht mit Antibiotika behandelt werden.
Eine asymptomatische Bakteriurie bedeutet den Nachweis von Bakterien im Urin mittels Kultur, ohne dass klinische Symptome einer Harnwegsinfektion vorliegen (z. B. Dysurie oder Pollakisurie). Ausnahmen von dieser Empfehlung der Initiative sind Schwangere und Patienten, die urologische Eingriffe mit Schleimhautverletzungen erhalten. Die Frage, ob eine asymptomatische Bakteriurie nach Nierentransplantation behandelt werden sollte, ist umstritten. Trotz dieser klaren Empfehlungen werden asymptomatische Bakteriurien immer wieder antimikrobiell behandelt, nicht zuletzt aufgrund der Sorge, dass die verzögerte Gabe von Antibiotika zu einer anschließenden Blutstrominfektionen führen könnte.
Eine US-Forschergruppe hat sich kürzlich damit beschäftigt, die Prävalenz von Bakteriämie aus einer vermuteten Harnwegsquelle bei stationären Patienten zu bestimmen. Insbesondere haben sie Patienten mit verändertem Bewusstseinszustand und ohne systemische Anzeichen einer Infektion untersucht. Ihr Ziel war es außerdem, Faktoren zu identifizieren, die mit einer Blutstrominfektion bei asymptomatischer Bakteriurie in Verbindung stehen. Darüber hinaus haben sie abgeschätzt, wie viele Antibiotikabehandlungen vermieden werden könnten, wenn ein Risiko von 2 % für eine Bakteriämie als Grenzwert für die Antibiotikabehandlung bei asymptomatischer Bakteriurie verwendet würde.
Das Team führte eine retrospektive Analyse von Daten durch, die Patienten einschlossen, die zwischen dem 1. Juli 2017 und dem 30. Juni 2022 in 68 Krankenhäusern in Michigan stationär behandelt wurden und eine asymptomatische Bakteriurie aufwiesen. Es wurden klare Ein- und Ausschlusskriterien festgelegt, wobei unter anderem Schwangere, Patienten mit Harnwegsanomalien, Personen unter 18 Jahren sowie Patienten nach Organ- oder Knochenmarkstransplantation ausgeschlossen wurden. Ebenso wurden Patienten von der Studie ausgeschlossen, bei denen in der Urinkultur Staphylococcus aureus oder Candida-Spezies nachgewiesen wurde.
Von den 11.590 eingeschlossenen Patienten mit asymptomatischer Bakteriurie erhielten 8.364 (72,2 %) eine antimikrobielle Therapie. Jedoch entwickelten nur 161 (1,4 %) von ihnen eine Bakteriämie aus einer vermuteten Harnwegsquelle. In der Subgruppe der Patienten mit verändertem Bewusstseinszustand und ohne systemische Anzeichen einer Infektion entwickelten nur 17 von 2.126 (0,7 %) eine Bakteriämie. Wenn jedoch erhöhte systemische Entzündungszeichen bei den Patienten mit verändertem Bewusstsein vorlagen, erhöhte sich das Risiko einer Bakteriämie um das Vierfache.
Faktoren, die mit der Entwicklung einer Bakteriämie assoziiert waren, waren männliches Geschlecht, Hypotonie, zwei oder mehr Kriterien des systemischen inflammatorischen Reaktionssyndroms (SIRS), Harnverhalt, Müdigkeit, Serumleukozytose und Pyurie. Aber kein einzelner Risikofaktor führte zu einem Risiko von 2 % oder höher, eine Bakteriämie zu entwickeln. Wenn ein Risiko von 2 % oder höher für Bakteriämie als Grenzwert für die empirische Antibiotikabehandlung verwendet worden wäre, hätte die Antibiotikatherapie bei 78,4 % (6.323 von 8.064) der empirisch behandelten Patienten mit geringem Risiko für Bakteriämie vermieden werden können.
Zusammengefasst kann gesagt werden, dass bei stationären Patienten mit asymptomatischer Bakteriurie eine Bakteriämie selten war. Auch ein verändertes Bewusstsein wie z. B. Delir war kein alleiniger Risikofaktor für eine Bakteriämie. Bestehen jedoch gleichzeitig systemische Entzündungszeichen, können diese Patienten möglicherweise von einer antiinfektiven Therapie profitieren. Somit unterstützt die Auswertung der vorliegenden Studie die Empfehlungen der Initiative Klug entscheiden der DGIM.
Bildquelle: JuniperPhoton, unsplash