Für Psychiater ist es oft schwierig, Schizophrenien nachzuweisen. Zu den Differenzialdiagnosen gehören unter anderem Manien, Depressionen oder bipolare Störungen. Über eine Niacin-induzierte Hautreaktion könnte die Abgrenzung deutlich schneller gelingen.
Etwa 0,5 bis 1,0 Prozent aller Menschen leiden in Europa an Schizophrenie. Das Krankheitsbild ist extrem weit gefächert. Halluzinationen, Wahn, Angst und Unruhe treten nur phasenweise auf. Zahlreiche Erkrankungen wie Verletzungen, Tumoren, Demenzen, Depressionen, dissoziative Identitätsstörungen oder schizoide und schizotypische Persönlichkeitsstörungen müssen von Psychiatern differentialdiagnostisch in Betracht gezogen werden. Forschern ist es jetzt gelungen, einen Schnelltest zu entwickeln, um die Krankheit leichter gegenüber anderen Leiden abzugrenzen.
Chunling Wan von der Shanghai Jiao Tong University in China hat für seine Studie drei Gruppen rekrutiert. Dazu gehörten 163 Schizophrenie-Patienten, 63 Patienten mit einer affektiven Störung wie Manie, Depression oder einer bipolaren Störung und 63 nachweislich gesunde Probanden. Bei ihnen applizierten Ärzte das Molekül Niacin (Nicotinsäure) in vier verschiedenen Konzentrationen auf den Arm. Sie verwendeten es dabei in Form von Methylnicotinat. Dabei kommt es zum Niacin-Flush, einer schon länger bekannten Reaktion. Die Haut wird stärker durchblutet und rötet sich. Im Mittelpunkt dieses Mechanismus steht der Hydroxycarbonsäure-Rezeptor 2 (HCA2). Er ist auf Keratinozyten und epidermalen Immunzellen zu finden. Bindet Niacin an diesen Rezeptor, kommt es über mehrere Schritte zur Freisetzung von Arachidonsäure. Über Cyclooxygenasen entstehen die Prostaglandine D2 und E2. Sie lösen Vasodilatationen und damit Hautrötungen aus. Genau dieser Pfad ist bei Schizophrenie womöglich gestört. Details sind derzeit unbekannt. Im Experiment werteten die Forscher Hautrötungen nach einem standardisierten Verfahren aus. Sie erfassten anhand einer Skala mit vier Punkten die Fläche von Erythemen. Bei Schizophrenie-Patienten trat die Reaktion Wan zufolge in deutlich geringerem Maße auf. „Wir fanden heraus, dass die Teilnehmer der Schizophrenie-Gruppe eine verzögerte und abgeschwächte Flush-Reaktion auf der Haut nach Niacin-Stimulation zeigten, während die Gruppe der affektiv gestörten Patienten zwar eine verzögerte jedoch keine abgeschwächte […] Reaktion auf die Niacin-Anwendung aufwies“, fasst die Erstautorin zusammen. Die Spezifität des Tests liegt laut Autorin bei 80 Prozent.
Wan sieht mehrere Anwendungen des Tests im klinischen Alltag. Haben Patienten psychiatrische Beschwerden und reagieren vermindert auf Niacin, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es sich um eine Schizophrenie handelt. Damit gebe es neue Möglichkeiten, ähnliche Krankheitsbilder voneinander zu unterscheiden, heißt es im Artikel. Sollte es gelingen, zu zeigen, dass auffällig schwache Hautreaktionen schon vor dem Einsetzen psychiatrisch relevanter Symptome auftreten, wären präventive Maßnahmen denkbar. Darüber hinaus wollen die Forscher herausfinden, wie es zu der schwächeren Reaktion kommt. Vielleicht finden sie eine neue Zielstruktur für Pharmaka.